Unsichtbare Kräfte
Beim Abgang von Transporten zur Grenze kam es zu Meutereien. Die scharfe Zensur verhinderte zwar, daß über all dies in der Presse berichtet wurde, doch konnte die Wahrheit auf die Dauer nicht verborgen bleiben. Inund ausländische Radiomeldungen sorgten dafür.
In Venezuela hatten die Brasilianer eine schwere Niederlage erlitten. Der General Garcia Cubas war in überraschendem Angriff weit über den Ventuarifluß vorgestoßen. Die schwachen brasilianischen Kräfte teilweise ins Gebirge gedrängt, teilweise auf Esmeralda zurückgewichen. Auf dem Rückzug mußte eine Menge Kriegsmaterial im Stich gelassen werden - für die ständig vordringenden venezolanischen Truppen ein unschätzbarer Vorteil: waren doch die Eisenbahnen von den Brasilianern gesprengt, so daß der Nachschub von Munition und Lebensmitteln stark erschwert war, besonders jedoch durch den unpassierbaren Amazonas.
In Esmeralda hatte die brasilianische Heeresleitung in aller Eile eine Auffangstellung vorbereitet, um die Bereitstellungen riesiger Vorräte an Kriegsmaterial und Lebensmitteln in der Sierra de Unturan zu schützen. Der Verlust dieser auf engem Raum konzentrierten Heeresvorräte mußte für die brasilianische Kriegführung verhängnisvoll werden. Alle verfügbaren Kräfte wurden deshalb in Esmeralda zusammengezogen.
Da machte eine einzige Nacht alle Pläne der Heeresleitung zuschanden; ein Sturm fuhr heulend über die Bereitstellungen. Plötzlich Alarm: Feindliche Flugzeuge im Anflug. Angriff!
Die allgemeine Verwirrung wurde durch diesen plötzlichen Überfall aufs höchste gesteigert. Trotz allergrößter Anstrengungen gelang es nicht, Depots und Magazine zu retten. Als die riesigen Munitionsmengen und Öltanks, die hier lagerten, explodierten, entlud sich die Panik in einem wilden Chaos. Die Truppen entglitten der Hand ihrer Kommandeure und strömten in fluchtartigem Rückzug gen Süden. —
Um Esmeralda kämpften in erbittertem Ringen Brasilianer und Venezolaner. Die zahlenmäßig schwächeren Venezolaner rannten immer wieder vergeblich gegen die festen Stellungen der Feinde an. General Cubas wollte verzweifelt den Befehl zum Einhalten geben - da! Was war das? Von Süden her in weiter Entfernung Kanonendonner, als wäre da stärkster Kampf im Gange.
Derselbe Gedanke auch bei den Brasilianern. Unwillkürlich aller Augen südwärts gerichtet: Rasendes Geschützfeuer dort? Hinter uns? Der Feind schon in unserem Rücken? Wir abgeschnitten? Von Mund zu Mund pflanzten sich die ängstlichen Rufe fort. Der brasilianische Führer selbst schwankend. Keine Antwort, weder durch Draht noch durch Funk vom Oberkommando.
Ehe man den Irrtum erkannt - keine Schlacht, nur Explosionen von Kriegsmaterial -, waren kostbare Minuten verstrichen, währenddes die Befehlsausgabe stockte. Diese kurze Spanne wurde verhängnisvoll. Die Front begann abzubröckeln.
Zu spät der Versuch, durch energische Maßnahmen die Truppen wieder in die Hand zu bekommen. Noch ehe neuer Widerstand vorbereitet werden konnte, ließ General Cubas seine Truppen zum Angriff übergehen.
Die aufsteigende Sonne sah die brasilianischen Stellungen geräumt, Esmeralda im Besitz der Venezolaner. Auf dem blutig errungenen Boden lagen die ermatteten venezolanischen Truppen in tiefem Schlaf. Unmöglich für General Cubas, den fliehenden Feind weiterhin nach Süden zu verfolgen.
Da, ein Schrei der weit vorgeschobenen Posten! Übergreifend auf die Masse der müden Sieger, sie aus dem Schlaf reißend!
»Kapitän Wildrake! ... Die >Venezuela libre Taumelnd sprangen sie auf, blickten zum Himmel. In den Strahlen der Morgensonne glitzerte der schimmernde Bau der »Venezuela libre«, die jetzt tiefer herabging, mitten zwischen den Stellungslinien aufsetzte.
Begeisterung brach los.
»Wildrake, der Helfer! Wildrake, der Retter!«
Ein Schrei aus tausend Kehlen.
Unmöglich für Wildrake und seine Genossen, das Flugzeug zu verlassen. Eine Mauer von Menschenleibern drängte gegen den Schiffsrumpf, versperrte den Ausgang.
Bis die hohe Gestalt des Kommandanten sich einen Weg durch die Mauer brach, den Eingang freimachte. Wildrake sprang die Stufen hinab, den tausend Armen, die sich nach ihm streckten, entgegen, die ihn emporhoben.
So betrat Robert Wildrake wieder venezolanischen Boden.
»Don Antonio!« Die Hand Marias strich Barradas, der im Schatten eines Baumes lag, über das Gesicht. Sah sie es nicht, so fühlte sie es doch, wie hager seine Wangen, wie tief seine Augen in den Höhlen
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