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Unsichtbare Kräfte

Titel: Unsichtbare Kräfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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lassen. Sie müssen fahren, und zwar sofort!«
    Barradas verhandelte im Flüsterton mit Alvarez, wandte sich dann wieder an Maria. »Ich füge mich, Santa Maria. Doch die Fahrt wird mir schwer werden. Wolle Gott, daß ich bald zurück bin und alles wohlbehalten antreffe.« —
    Vier Tage schon war die »Susanna« fort.
    Eben hatte Barradas mit Maria einen Funkspruch getauscht. Binnen kurzem würde er wieder da sein. Die Insel war der Blinden im Laufe der Zeit so vertraut geworden, daß sie sich sicheren Fußes überallhin bewegte. Sie trat aus der alten Wellblechhütte, wo Pablo die Mahlzeit bereitete, ging zu dem neuen Haus, um sich für ein Weilchen auszuruhen.
    Kaum hatte sie sich in einen Korbstuhl gesetzt, da horchte sie auf. Ihr feingeschärftes Ohr vernahm den Klang von Schritten, fühlte an dem leichten Luftzug, wie die Tür zu ihrem Gemach sich leise öffnete. Mechanisch wandte sie den Kopf zur Tür. Da, ein eisiger Schreck fuhr durch ihre Glieder. Sie wollte einen Schrei ausstoßen, doch nur ein verworrenes Stammeln kam von ihren Lippen. Hastig strichen ihre Hände über die Augen. Das Bild blieb!
    ... Eine Sinnestäuschung? Da stand eine Gestalt, die ihr Blick deutlich sah. Ein Mensch? Nein, nur ein überirdisches, geisterhaftes Wesen konnte es sein. Blieb doch alles um die Erscheinung herum in dunkle Nacht gehüllt. In Angst und Entsetzen drohten ihr die Sinne zu schwinden. Mit einer letzten Anstrengung raffte sie sich auf.
    »Wer bist du, fremder Mann? Was willst du von mir?«
    Kaum war das letzte Wort verklungen, verschwand die Gestalt, als habe sie sich versteckt. Dann war sie wieder da.
    »Sprich, du Mensch, oder ...«
    Die Gestalt schrak zusammen, blieb aber stumm wie zuvor.
    »Denkst du, ich sehe dich nicht, weil ich blind bin? Ich sehe dich wohl! Du bist ein alter Mann. Klein - graues, wirres Haar um dein Haupt. Deine Züge sind verfallen. Du bist krank - der Todesbote ist dir begegnet!«
    Ein Schauer schüttelte die Gestalt. Ungewollt stammelte der zitternde Mund: »Blendwerk und Trug! Keines Sterblichen Auge kann mich sehen! - Du, die Blinde? Unmöglich, daß das Schicksal so meiner spotten könnte! Meine Kunst, mit Gesundheit und Leben erkauft, den Gesichtssinn der Menschen zu blenden, zu täuschen - an den toten Augen einer Blinden sollte sie scheitern?«
    »Du wehrst dich vergebens! Ich sehe dich - habe dich auch früher schon gesehen, oder Freunde, die dich kennen, beschrieben dich mir.«
    Die Gestalt geriet ins Wanken. Wie in tiefster Erschütterung barg sie den Kopf in den Händen. Stand lange Zeit so.
    »Warum scheust du dich vor mir?« klang Marias Stimme.
    »Komm näher, reiche mir deine Hand! Ich weiß nicht, wer du bist. Nur das eine weiß ich: Ein Freund bist du uns!«
    Unter dem bittenden Zwang der Worte trat der Fremde an Maria heran, nahm die dargebotene Hand.
    Maria strich leise über seinen Arm, sein Gesicht. »Bist du ein göttliches Wesen? Nein! Du bist ein Mensch wie ich, wie Robert Wildrake!« Ihr Haupt sank mit wehem Seufzer zurück. »Ach, könnte ich nur einmal noch Robert sehen, so wie jetzt dich!«
    Die Gestalt trat an die Blinde heran, flüsterte gütige, tröstende Worte. Ein Freudenschein glitt über Marias Züge.
    Der Jubelschrei: »Die >Venezuela libre< kommt!« weckte sie aus einem glücklichen Traum.
    Pablo stürmte in das Gemach. »Gleich wird sie hier sein, Señorita! Und da hinten im Osten ist auch schon die >Susanna< zu erkennen.«
    Maria sprang hastig auf, wollte hinauseilen. Da blieb sie wie angewurzelt stehen, drehte sich suchend im Kreise. Eine Erinnerung tauchte in ihr auf.
    »Pablo, bist du hier?«
    Keine Antwort. Der junge Indio war schon zu der Mangrovenbucht geeilt, wo die »Venezuela libre« eben landete.
    Maria blieb zögernd stehen. Tausend Gedanken durchstürmten ihr Hirn. Was war da alles gewesen? Wirklichkeit - oder nur Traum? Ihre blinden Augen hatten einen Menschen gesehen?
    Unmöglich! Und doch: Als der Fremde fortgegangen, hatte sie gespürt, wie er ein Papier in ihre Hand gedrückt. Jetzt erinnerte sie sich genau. Ihre Linke tastete nach der Rechten, die fest zusammengeballt war. Vorsichtig öffnete sie die Finger. Fast hätte sie einen Schrei ausgestoßen. Das Papier! Ja, da war es!
    Von draußen her Wildrakes Stimme. »Maria! Wo bist du?«
    Hastig steckte sie den Zettel in die Tasche, eilte hinaus. Nach ein paar Schritten lag sie in Wildrakes Armen. —
    Lange schon saßen sie in dem traulichen Gemach.
    Da klang von draußen der Ruf:

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