Unsortiertes
fliehe nicht … auch wenn
ich auf der Flucht bin.“
Ich blieb erst mal stumm, dachte nach. „Vor wem bist du auf der Flucht,
wenn du nicht fliehst?“
Schweigen. „Vor meinem Stiefvater!“
„Und warum?“ Ich blickte ihn an.
Schweigen. „Interessiert dich das wirklich?“
„Ja!“ Ich blickte ihn an und ließ den Abzweig in Richtung Greifswald
links liegen und fuhr den Schildern nach in Richtung A20. „Es interessiert mich
wirklich, einmal, weil ich neugierig bin, aber das sagte ich ja schon, und
zweitens …“
„Was?“ Verwunderung lag in seiner Stimme.
Ich setze zum Überholen an und ließ den Trabbi, der mich schon
minutenlang nervte, endlich hinter mir. „… möchte ich gerne wissen, was hinter
dir, deiner Flucht und deiner Person steckt. Ich kann mir nämlich gerade keinen
Reim darauf machen!“
„Warum willst du das wissen?“ Eine gewisse Neugier konnte ich
heraushören.
Als ich auf die Autobahn einbog, blickte ich ihn an. „Ich weiß nur,
neben mir sitzt der David aus Sassnitz, der gestern Geburtstag hatte. Da du in
Essen geboren bist und von einem Stiefvater gesprochen hast, vermute ich
einfach mal, dass du entweder ein Scheidungskind bist oder deine Mutter … nicht
verheiratet war, als sie dich bekommen hat. Sie hat dann einen Typen von der
Insel kennengelernt und ist mit dir an die Ostsee gezogen, vermutlich um ihrem
neuen Mann nahe zu sein.“ Ich blickte ihn an, er blieb stumm. „Sie müssen
geheiratet haben, ansonsten wäre er nicht dein Stiefvater. Du scheinst Probleme
mit ihm zu haben, aus welchen Gründen auch immer.“
Schweigen. „Weiter?“
„Als ich damals meine Volljährigkeit gefeiert habe, war ich so fertig
und habe anderthalb Tage im Bett gelegen, weil sich die Welt einfach um meinen
Kopf drehte. Profan gesagt, ich war besoffen!“ Ich versuchte, ein Lächeln auf
meine Lippen zu legen. „Du aber stehst, am ersten Tage deiner Volljährigkeit,
vollkommen durchnässt mit vollem Gepäck an einer Tankstelle auf Rügen und
hältst den Daumen raus. Daraus schließe ich einfach, dein Geburtstag verlief
nicht so, wie du gedacht hast. Du bist abgehauen und willst jetzt einfach deine
Freiheit genießen.“
Schweigen. „Was könnte der Grund gewesen sein?“
Ich atmete tief durch. Was sollte ich machen? Ich könnte meinen
Gedanken freien Lauf lassen und mich so zum Hansel machen, aber ich könnte auch
ins Schwarze treffen. Was sollte mir schon groß passieren? Würde ich
tatsächlich zum Hanswurst werden, ich würde ihn an der nächsten Raststätte
einfach aus dem Auto werfen und das wäre es dann gewesen.
„Ich werde jetzt mal ganz persönlich!“ Ich blickte ihn an. „Ich hoffe,
du hast nichts dagegen!“
„Nein, die Gedanken sind frei, … lass sie fließen!“ Grinste er mich
etwa an?
Hätte er mir nicht eine Hilfestellung geben können? Ich atmete tief
durch und musterte ihn noch einmal mit kritischen Blicken. „Probleme mit dem
Stiefvater, volles Gepäck, nicht auf dem Weg zur Freundin? … Von deiner Statur
und deinen Händen her schließe ich, dass du keiner körperlichen Arbeit
nachgehst, von daher vermute ich mal, du bist noch Schüler.“
Schweigen. „Bin ich. Weiter?“
„Wenn du mit 18 noch zur Schule gehst, müsstest du eigentlich kurz vor
dem Abitur stehen. Wenn man dann von zuhause weg möchte, jedenfalls lässt dein
Gepäck darauf schließen, gibt es eigentlich nur zwei mögliche Alternativen.“
Wieso starrte ich ihn an?
Schweigen. „Abi dauert noch ein Jahr, habe eine Ehrenrunde gedreht.
Welche Alternativen?“
„Du bist in guter Gesellschaft, selbst Einstein blieb mal kleben.“ Ich
grinste. „Möglichkeit eins: Mama und Papa - in deinem Falle der Stiefvater -
sind mit der Wahl der Dame seines Herzens überhaupt nicht einverstanden, aber
du liebst sie und willst zu ihr stehen, gegen alle Widerstände. Sie könnte,
reine Spekulation, schwanger sein, was die ganze Sache zusätzlich noch erschweren
würde. Da du aber, wie du gerade sagtest, nicht auf dem Weg zu einer Freundin
bist, bleibt nur Lösung zwei übrig!“
Schweigen. „Die wie aussieht?“
„Du bist schwul! Stiefpapa und … eventuell … auch deine Mutter finden
es nicht ganz so toll, dass ihr Sohn auf Kerle steht und haben etwas gegen
deine sexuelle Ausrichtung. Wieso sollte ein vernünftig denkender Mensch wie
du, am ersten Tag der Freiheit, seine Schullaufbahn abbrechen?“ Ich blickte
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