Unsortiertes
Die Dame der Verteidigung hatte eine
Sopranstimme.
Ich schüttelte den Kopf. „Im Gegenteil: Ich war sauer, dass Boris einen
Fremden mitgebracht hatte. In diesem Milieu sind Aufnahmen eh schwierig und es
bedarf eines gewissen Vertrauensverhältnisses zwischen Fotograf und Modell,
will man ein vernünftiges Ergebnis erzielen. Da aber einer der Typen, der
vorher zugesagt hat, nicht erschienen war, wurde Enrico quasi
zwangsverpflichtet, die Location war ja nicht unbegrenzt verfügbar.“
Mein Blick glitt über die Richterbank. „Als die Bilder in dem Lokal
abgefrühstückt waren, ging es dann für die Aufnahmen der üblichen
Sexualpraktiken in eine Privatwohnung nach Rodenkirchen. Blasen, Wichsen,
Lecken, Kuscheln waren kein Problem, da haben alle Stricher mitgemacht, aber
sie kamen in Schwulitäten, als es um den GKG ging, das war ihnen dann doch wohl
zu heikel.“
„GKG?“ Der Lehrer am Richtertisch schaute mich ungläubig an.
Ich grinste. „Gummi-Kontroll-Griff, also wenn der Freier beim
Analverkehr aktiv ist. Es sollte gezeigt werden, wie der Stricher sich – quasi
spielerisch – davon überzeugt, dass nur ein ummanteltes Glied in ihn eindringt.
Alle, die schon jahrelang im Sexbusiness tätig waren, zogen – im wahrsten Sinne
des Wortes – den Schwanz ein. Aber Enrico? Enrico quatschte das älteste
Mitglied der ‚Freiergruppe‘ an und meinte: ‚Für einen Fuffi darfste mich
vögeln! Wir machen die Aufnahmen, wenn die im Kasten sind, fickst du einfach
weiter. Einverstanden?‘ Ich war zwar etwas perplex, aber die beiden hatten
ihren Deal und ihren Spaß; damit war für mich die Sache gegessen.“
„So haben sie also das Opfer kennengelernt?“ Die Robenträgerin auf der
Richterbank hatte ziemlich rote Wangen bekommen. „Und wie ging es dann weiter?“
„Tja, als wir sämtliche Aufnahmen für die Broschüre im Kasten hatten,
ging die Crew zum Essen, das war als Lohn für das Shooting vereinbart.“ Ob all
der Erinnerung, die mir hochkamen, konnte ich mir ein Schmunzeln wirklich nicht
verkneifen. „Auf jeden Fall, David setzt sich neben mich …“
„Welcher David?“ Der Staatsanwalt war auch noch da.
Ich blickte ihn entschuldigend an. „Stricher haben in der Regel einen
Alias, nur Anfänger in dem Gewerbe nennen ihre richtigen Namen. Enrico nannte
sich die ganze Zeit David und wurde auch so von Boris, der eigentlich Viktor
heißt, uns vorgestellt. Namen in dem Gewerbe sind Schall und Rauch. Wie sagte
Shakespeare? Was uns da Rose heißt, wie es immer auch hieße, es würde lieblich
duften.“
„Das ist aber ziemlich frei übersetzt.“ Dreitagebart grinste. „Wie ging
es weiter?“
„David … oder Enrico saß beim Abendessen neben mir, wir unterhielten
uns, flachsten herum, hatten Spaß. Plötzlich fragte er mich, was vernünftige
Aufnahmen von ihm kosten würden. Zugegeben, ich war etwas überrascht und fragte
nach dem Grund, warum er denn Bilder von sich haben wollte.“ Ich starrte auf
das Kreuz, das an der Rückwand der Richterbank angebracht war. „Seine Antwort
war einfach: Er wollte weg vom Bahnhof! Er wollte sich die Typen, mit denen er
ins Bett steigen würde, selber aussuchen können. Am Bahnhof müsste er jeden
dahergelaufenen Penner bedienen, um Kohle zu machen, aber Enrico wollte eine
Liga höher spielen, als Escort, als Luxus-Stricher, aber … dazu bräuchte er
gutes Werbematerial. Ich gab ihm meine Karte und meinte, er sollte mich
aufsuchen.“
„Und wann suchte er sie auf?“ Häuptling Silberlocke blickte mich
neugierig an.
Ich legte meinen Kopf schief. „Er wartete auf dem Parkplatz des
Restaurants auf mich und fragte, ob ich ihn in die Stadt mitnehmen könne. Als
wir kurz vor dem Dom waren, meinte er, man könne die Aufnahme ja auch jetzt
schon machen. Was sollte ich sagen? Ich nahm ihn mit zu mir.“
„Wie ging es dann weiter?“ Der Vorsitzende hatte es wohl eilig.
Ich blickte ihn verwirrt an. „Wie soll es weiter gegangen sein? Auf dem
Weg hielten wir an einer Tankstelle, ich tankte und er kaufte sich von den 50
Euro, die er für den Fick vom Nachmittag bekommen hatte, eine Stange
Zigaretten. Als wir wieder im Wagen waren, meinte er, bis zur letzten Schachtel
würde er bei mir bleiben, ich müsse nur für das Essen und die Bilder sorgen.
Nach einer Woche verließ er mich dann, kam dann aber nach drei Tagen schon
wieder zurück.“
„Aus ihnen wurde also ein Liebespaar?“ Silberlocke lächelte
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