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Unsortiertes

Unsortiertes

Titel: Unsortiertes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darius von Benin
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altväterlich.
     
    Ich schüttelte den Kopf. „Nein, kein Paar im herkömmlichen Sinne, eher
eine Art Nutzgemeinschaft. Wir hatten unseren Spaß und davon reichlich, aber
Enrico schlüpfte schnell in die Rolle eines Major Domus: Er schmiss den
Haushalt, ich konnte mich mehr auf meine Arbeit konzentrieren.“
     
    „Sie waren also nicht sein Sugar-Daddy?“ Der Staatsanwalt hatte wohl
einige Erfahrungen in dem Metier. „Der Altersunterschied zwischen ihnen war ja
doch enorm, über 20 Jahre.“
     
    „Um genau zu sein 21 Jahre und sechs Monate. Wie sich herausgestellt
hat, war Enrico zu dem Zeitpunkt unseres Kennenlernens erst 17, aber das habe
ich erst später herausgefunden.“ Ich blickte auf den Vertreter der
Strafverfolgungsbehörde, der zufrieden nickte.
     
    Der Mann mit den Koteletten unterbrach meine Gedanken, wie ich
fortfahren sollte. „Sie haben also Unzucht mit einem Minderjährigen getrieben?“
     
    „Wenn sie so wollen, dann kann man das so sagen, aber Unzucht mit einem
Stricher?“ Der Kerl war mir unsympathisch! „Es floss kein Geld, wenn sie das
meinen. Ich habe ihn nie für Sex bezahlt, zu keiner Zeit! Es war so eine Art
Symbiose, die wir eingingen: Er hatte ein Dach über dem Kopf und …“
     
    „Sie waren also nicht sein Zuhälter?“ Dreitagebart schaute mich fragend
an.
     
    Ich konnte nur bestürzt den Kopf schütteln. „Gott bewahre! Ich bin doch
kein Lude, das könnte ich gar nicht! Nach der ersten Woche bei mir, fuhr er,
verbrachte das Wochenende in Köln. Am Montag stand er dann am wieder auf der
Matte, blieb ein paar Tage, um dann wieder in Köln seine Dienste anzubieten. So
ging das dann fast ein halbes Jahr, bis Ende 2005. Er kam immer für zwei oder
drei Tage und fuhr dann wieder. Nur das Wochenende, an dem er seinen 18.ten
Geburtstag feierte, verbrachte er bei mir. Dann habe ich ihn knapp einen Monat nicht
gesehen.“
     
    „Hatten Sie Streit?“ Goldrand war neugierig.
     
    Ich schüttelte den Kopf. „Nein, Streit gab es so gut wie nie, Enrico
war unheimlich harmoniebedürftig. Der Grund war einfach: Ich war im Urlaub und
er hatte keinen Schlüssel.“
     
    „Hatten sie denn kein Vertrauen zu ihm?“ Die Zahnarztschwester schien
besorgt.
     
    Ich blickte sie leicht verwirrt an. „Vertrauen war da, aus David war
längst Enrico geworden. Aber … irgendetwas schwebte immer im Hintergrund, wie
ein Damoklesschwert. Enrico hatte mir zwar seine Lebensgeschichte erzählt, aber
… diese Geschichte war in sich nicht stimmig: Mal hatte sein Vater seine Mutter
schon in der Schwangerschaft verlassen, mal verstarb er bei einem Autounfall,
mal saß er jahrelang wegen Bankraubs im Knast. Einmal war er Einzelkind, dann
wieder der Nachzügler. Die krasseste Geschichte, die er mal erzählte, war, dass
sein eineiiger Zwillingsbruder bei der Geburt gestorben wäre. Wie gesagt,
irgendetwas war faul im Staate Dänemark, aber das wunderte mich nicht
besonders, denn ein Stricher erfindet sich und sein Leben für jeden Freier
neu.“
    Mein Hals wurde trocken, ich blickte den Vorsitzenden an. „Könnte ich
bitte ein Glas Wasser haben?“
     
    „Selbstverständlich! Frau Sinkewitz, wenn sie einmal so freundlich
wären und …“ Er meinte wohl seine Protokollführerin, aber der junge Gehilfe des
Staatsanwalts, offensichtlich sein Referendar, war schneller. Als er mir die
Erfrischung reichte, berührten sich kurz unsere Hände, ein elektrischer Schlag
durchzuckte mich; der Knabe hatte etwas.
    Silberlocke griente. „Na, dann hätten wir das ja jetzt auch erledigt.
Bitte fahren sie fort.“
     
    Ich trank einen Schluck. „Gerne. Als ich aus dem Urlaub kam, hatte er
sich erheblich verändert, er wirkte verhärmt, ausgepowert, traurig, wütend auf
sich und die Welt. Er hätte mich vermisst, allerdings konnte ich ihm das nicht
so richtig abkaufen.“
     
    „Warum nicht?“ Der dickliche Staatsanwalt wollte es aber genau wissen.
     
    Ich blickte in seine Richtung, schaute aber lieber seinen Assistenten
an, der – trotz des Anzugs – erheblich besser aussah. „Es ist ziemlich schwer,
es richtig auszudrücken, aber es war wohl eher der sichere Hafen, der ihm
fehlte. Bei einem Kunden für eine oder für zwei Nächte Unterschlupf zu finden,
ist die eine Sache, aber … ich glaube, ihm fehlte das Gefühl, nach Hause kommen
zu können. Er war wohl auf der Suche nach einem Nest, einer Zuflucht. Er blieb
ganze zwei Wochen und in der Zeit entstanden auch die ersten Bilder für den
Bildband und die

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