Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen
noch nicht gefasst, McLeod im Moment nicht verfügbar. Er durfte kein Risiko eingehen, er musste fit bleiben.
»Adam?«
Adam blieb stehen. Sein Magen krampfte sich bei Leas Anblick hungrig zusammen. Er hatte zwar erst heute früh Blut getrunken und normalerweise hätte das für eine ganze Weile gereicht, aber die Wunde und der Blutverlust ...
Er bewegte seine verletzte Schulter, spürte den unangenehmen, schmerzhaften Druck der eingeschlossenen Kugel.
»Ja?«
»Erklärst du mir jetzt endlich, was los ist?«
Sie sah besorgt und etwas ängstlich aus, aber das musste warten: zuerst seine Schulter. »Gleich«, sagte er kurz angebunden. Dann nahm er sich das Messer, das neben der Obstschale auf der Anrichte lag, ging ins Schlafzimmer und von dort ins Badezimmer.
Einen Blick in den Spiegel über dem Waschbecken werfend zog er Jacke und Hemd aus. Das Einschussloch in beiden Kleidungsstücken war zwar nicht groß, aber dennoch unübersehbar. Er ließ die Sachen zu Boden fallen und lehnte sich über das marmorne Doppel-Waschbecken. Die Stelle, wo die Kugel steckte, konnte er so nicht sehen, er musste sich also auf seinen Tastsinn verlassen.
Das Messer in der Rechten, hob er den Arm über die linke Schulter und fuhr mit der stumpfen Spitze über seine Haut. Ja, dort war die leichte Erhebung, dort steckte die Kugel. Er holte tief Luft und packte das Messer fester.
Da platzte Lea herein. »Was machst du da?!«
»Verschwinde.«
»Nein! Ich lasse nicht zu, dass du dir was antust!«
Adam ließ seufzend den Arm sinken. Ihre Besorgnis war ... rührend, aber fehl am Platz. »Ich habe nicht vor, mir was anzutun, also geh jetzt bitte ins Wohnzimmer zurück. Es dauert nicht lange.«
Lea verschränkte dickköpfig die Arme. »Mary hat gesagt, du willst dich mit dem Messer schneiden. Erst sagst du mir, warum. Sonst gehe ich nicht.«
Schon wieder dieser wie beiläufige Hinweis auf ihre »Geister«.
»Lea«, sagte er warnend. Keine Reaktion. Was war nur los mit dieser Frau? In diesem Moment fiel ihr Blick auf seine abgelegten Sachen auf dem Fußboden. Er verzog das Gesicht. Jetzt würde sie vermutlich gleich schreiend davonlaufen oder in Ohnmacht fallen.
»Dann bist du wirklich angeschossen worden?«
Bevor er etwas sagen konnte, war Lea hinter ihn getreten. Mit flinken Fingerspitzen tastete sie seinen Rücken ab, ein viel zu angenehmes Gefühl, wie Adam widerwillig feststellte. Fast war er froh, dass eine Kugel in seinem Körper steckte. Der Schmerz lenkte wenigstens ab ...
»Die Wunde ist ja schon zugeheilt!«, stieß sie ehrfürchtig hervor, als sie die kleine Wölbung ertastet hatte.
Adam drehte sich zu ihr um. »Ja, genau. Und deshalb muss ich die Wunde noch mal aufschneiden und die Kugel rausholen. Jetzt weißt du, warum, also ab mit dir.«
Lea zuckte nicht mit der Wimper. Ihre hellgrünen Augen bohrten sich in die seinen. »Diese Kugel war für mich bestimmt?«
Verdammt. Er wollte nicht, dass sie deswegen Schuldgefühle bekam. Aber vielleicht war es besser, dass sie die Wahrheit erfuhr, damit sie kooperierte.
»Ja.«
Auch dies nahm sie unbewegt auf. »Die haben mir eine Wanze angehängt und dann nur auf mich gezielt?«
So war es. »Ja.«
Adam betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Weder Angst noch Wut waren darauf zu erkennen, ihre Miene war undurchdringlich. Ganz gewiss nicht die Reaktion von jemandem, der erfährt, dass man es auf sein Leben abgesehen hat. Ob sie noch unter Schock stand?
Lea seufzte. »In diesem Fall bleibt mir nichts anderes übrig, als dir zu helfen, die Kugel rauszuholen.«
»Nein«, sagte er sofort. Was war bloß los mit dieser Frau?
Konnte sie nicht mal einen Moment lang normal sein?
Jetzt wollte sie auch noch eine Kugel aus seiner Schulter holen! »Kommt gar nicht in Frage!«
»Bitte.«
»Nein!«
»Versuch mal, mich davon abzuhalten!« Sie funkelte ihn wütend an.
Adam runzelte die Stirn. »Lea, zwing mich nicht, dich rauszuschmeißen.«
»Adam, zwing mich nicht, dir in den Hintern zu treten!«
Adam nahm seinen Nasenrücken zwischen Daumen und Zeigefinger, eine Geste, die, seit er sie kannte, offenbar verstärkt nötig zu werden schien.
»Wenigstens das bin ich dir schuldig!«, bat sie.
Also gut. Die Zeit war knapp, und er musste bei vollen Kräften sein. Er reichte ihr das Messer.
»Aber nur damit du's weißt: Du schuldest mir gar nichts!«
Er kehrte ihr, nicht ohne ein leises Unbehagen, den Rücken zu. Er hatte gerade einer Irren ein Messer in die Hand gedrückt und ihr den
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