Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen
Rücken zugekehrt. Selbst wenn sie nicht verrückt war - vielleicht war sie ja doch gefährlich?
Was wusste er schon über sie. Vielleicht hatte sie etwas mit diesem geplanten Diebstahl zu tun? Ein ausgeklügeltes Verwirrungsmanöver? Unwahrscheinlich. Aber ob nun verrückt oder kriminell, jemanden wie sie mit einem Messer hinter sich stehen zu lassen ... war nicht gerade sein brillantester Einfall gewesen.
»Da ich dich schon nicht loswerden kann, erzähl mir wenigstens, was genau heute passiert ist, damit wir rausfinden, warum diese Mistkerle hinter dir her sind.« Das lenkte sie wenigstens ab.
Sie tastete vorsichtig die Erhebung ab, um Größe und Lage der Kugel abzuschätzen. »Also, ich bin zum Friedhof gegangen, als ich heute früh von hier weggegangen bin«, begann Lea. »Ich habe Liam abgeholt, und wir sind zusammen in die Cameo Bar gegangen. Da treffe ich mich immer mit Mr. Thomson zum Kaffeetrinken.«
»Wer ist Mr. Thomson?«, fragte Adam und schaute sie im Spiegel an. Die Zunge im Mundwinkel, tastete sie die Wunde ab.
»Ein guter Freund von mir; ich blättere immer die Zeitung für ihn um, dann kann er sie in Ruhe lesen. Und dann machen wir zusammen das Kreuzworträtsel. Ich sage ›wir‹, aber eigentlich löst er immer alles alleine. Er ist unheimlich clever. Ich schreibe nur die Lösungen rein. Ist manchmal ziemlich ärgerlich.«
Adam hätte gerne mehr über Mr. Thomson erfahren.
So, wie sie über ihre Geister redete - es war so echt. Ob es Schizophrenie sein konnte?
»Wie heute, zum Beispiel«, fuhr sie fort und hob das Messer. »Ich wusste, die Antwort war ›Wien‹, aber er hat's gesagt, bevor ich es konnte. Hat mich ganz schön geärgert.«
Den Blick auf einen Punkt über seiner Schulter gerichtet machte sie sich bereit. Sie wirkte etwas ängstlich, aber kein Zittern lag in ihrer Stimme, als sie nun weitersprach.
»Dann bin ich heimgegangen; meine Wohnung liegt gleich um die Ecke. Dort hat Mary schon auf mich gewartet. Ich habe Mrs. Bilen angerufen und bin ins Whighams gekommen. Das war's.«
Die Messerspitze bohrte sich in seine Haut, und Adam umklammerte den Beckenrand.
»Das war alles?«
Er konnte hören, wie ihr Herz hämmerte, während sie den Druck der Messerspitze erhöhte. Die Kugel wurde dabei ein wenig zur Seite geschoben. Ein brennender Schmerz durchzuckte ihn.
»Das weiß ich, Liam!«, schimpfte sie. »Mensch, du gehst mir auf die Nerven!«
Adam tat sein Bestes, um sich seine Schmerzen nicht anmerken zu lassen. Die Messerspitze war stumpf und wollte nicht in seine Haut eindringen.
»Adam, Liam hat recht. Wir brauchen ein schärferes Messer.«
Aber sie hatten schon viel zu viel Zeit verloren. Adam legte die Hand auf Leas Hand und drückte zu. Das Messer fuhr in seine Haut hinein, und Blut rann über seinen Rücken.
»Schnell!«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er konnte im Spiegel sehen, dass Lea kreidebleich geworden war, und hoffte nur, sie würde nun nicht einfach umkippen.
Aber Lea war aus härterem Holz geschnitzt. Sie begann, mit der Messerspitze in der Wunde herumzustochern. Es brannte wie Feuer. Adam biss die Zähne zusammen.
»Ich krieg sie nicht raus.« Lea schaute ihn im Spiegel an.
»Dann versuch's mit den Fingern«, befahl er. »Komm schon, Lea, bevor die Wunde wieder zugeht.«
So schnell ging das natürlich nicht, aber er wollte nicht, dass sie zu viel Zeit zum Nachdenken hatte. Und es funktionierte.
Aus Angst, die Wunde noch einmal aufschneiden zu müssen, schob sie einen Finger unter die Kugel und stieß sie heraus. Auf Adams Stirn standen dicke Schweißtropfen.
Aber die Schmerzen vergingen rasch wieder, und auch die Blutung hörte nach drei Atemzügen auf. Adam drehte sich um und schaute Lea an. Ihre Hände und die Ärmel ihres Kleids waren blutig. Mit blassem Gesicht hielt sie ihm die Kugel hin.
»Was soll ich damit machen?«
Adam nahm sie, wickelte sie in Toilettenpapier und warf sie in den Abfalleimer.
»Was du jetzt brauchst; ist eine heiße Dusche«, sagte er und drehte das Wasser auf. Sofort begannen sich Dampfschwaden im Bad auszubreiten.
Lea sagte nichts.
»Also, ich geh dann mal.« Adam betrachtete sie, hoffte auf irgendeine Reaktion, aber sie starrte nur seine Brust an.
»Danke für deine Hilfe«, ergänzte er. Immer noch nichts.
Er hasste es, nicht zu wissen, was in ihr vorging. Endlich schaute sie zu ihm auf.
»Keine Ursache. Ohne dich wäre ich jetzt tot.«
Sie hob die rechte Hand in etwa die Höhe, wo
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