Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen
sehen.«
»Da, ihr müsst am Monkey Puzzle Tree vorbei!«
»Was? Was für ein Baum? Monkey Puzzle?«
»Ein Monkey Puzzle Tree ? Die Chiletanne, meint sie?«
Adam deutete mit einer Kopfbewegung auf einen großen Nadelbaum mit zickzackförmig hervorwachsenden Asten.
So sah der also aus! Jetzt war ihr auch klar, warum der englische Name so lautete. »Ja, da müssen wir vorbei«, sagte sie zu den drei Männern und ging voran.
Adam nickte den Männern zu und folgte ihr. Lea konzentrierte sich auf Marys Anweisungen. Links. Rechts. Unter dem Ast durch. Rechts. Sie wollte gerade über einen besonders dicken umgefallenen Baumstamm steigen, als sie von Adam zurückgehalten wurde.
»Stop, Lea. Bitte bleib hier stehen.«
Seine Nasenflügel bebten, und sein Gesicht war wie versteinert.
Lea spürte, wie Furcht in ihr aufstieg. »Hast du sie gesehen?« Sie schaute sich nach allen Seiten um, konnte Marys Leiche aber nirgends entdecken.
»Dieses eine Mal will ich, dass du einfach nur tust, was ich dir sage, und hier stehen bleibst.«
Als Lea sah, dass auch McDougal und Hinley ganz grimmige Gesichter machten, nickte sie, von einer bösen Vorahnung geplagt. Warum sagte Mary nichts?
»Okay.«
»Versprich es mir«, beharrte Adam.
»Ich versprech's.«
Die Männer traten über den Baumstamm. Adam sagte leise etwas zu ihnen, und sie verteilten sich. Was hatten sie vor?
Lea reckte den Hals und beobachtete, was McDougal, der ihr am nächsten war, tat. Er grub in der Erde! Es war mittlerweile so dunkel geworden, dass sie kaum noch etwas erkennen konnte. Was grub er da aus?
Großer Gott!
Lea schlug die behandschuhte Hand auf den Mund und wandte sich ab. Aber es war schon zu spät, sie hatte gesehen, was McDougal ausgegraben hatte: einen abgetrennten Arm.
Eine Ewigkeit später, wie ihr schien, drang Marys Stimme wieder an ihr Ohr.
»Sie haben jetzt alles von mir gefunden, Lea. Es ist vorüber.«
Lea öffnete blinzelnd die Augen. Um sie herum war der stille, dunkle Wald. Dass sie an dem Baumstamm lehnte, hatte sie gar nicht gemerkt.
»Es tut mir leid, Mary.«
»Nein, nein, das muss es nicht. Ich bin dankbar, dass ich einen Menschen wie dich getroffen habe. Jemanden, der sich so viel Mühe gemacht hat, um mir zu helfen. Danke, Lea. Ich danke dir.«
Ihre Stimme war leiser, immer ferner geworden, wie immer, wenn eine Seele sich von dieser Welt löste.
»Gern geschehen«, flüsterte Lea in die stille, kalte Nachtluft.
Mary war jetzt endlich frei.
22. Kapitel
Victoria sieht gut aus«, bemerkte Adam.
Er stand mit Cem im prächtigen Rittersaal seines Heimatsitzes. Lea saß in eine Schottendecke gemummelt vor dem riesigen Kamin, in dem ein Feuer prasselte. Victoria saß mit untergeschlagenen Beinen vor ihr auf einem dicken Schaffell. Wild gestikulierend redete sie auf sie ein, und Lea hörte mit einem leisen Lächeln zu. Cems Frau verstand es, die Arme von den Schrecknissen des Tages abzulenken.
»Geht ihr nie der Gesprächsstoff aus?«, fragte Adam bewundernd.
Cem griff zu einer funkelnden Karaffe mit Blut und schenkte Adam ein Glas ein. Sie standen am anderen Ende des großen Raums, außer Hörweite der beiden Frauen.
»Sie ist eine Frau, mein Freund. Und Frauen sind unergründliche, rätselhafte Wesen.«
Adam nahm dankbar das Glas entgegen. Das Blut rann ihm in den Magen und regenerierte seine Kräfte.
»Wie kann Helena hier Blut rumstehen lassen, wo doch Grace im Haus ist?«, fiel Adam ein. »Wo ist sie überhaupt?
Grace, meine ich.«
Cem seufzte und füllte Adams leeres Glas wieder auf.
»Ich fürchte, der Aufenthalt hier hat dem Benehmen meiner Schwägerin auch nicht auf die Sprünge geholfen.
Sie hat sich im Westflügel verschanzt und lässt dort die Dienstboten für sich tanzen. Wir kriegen sie kaum noch zu sehen. Sie kommt und geht durch den Westausgang. Wir sind anscheinend nicht mehr gut genug für sie.«
»Spielt wohl mal wieder die Prinzessin, wie?« Adams Blick hing schon wieder an Lea. Ihm fielen die tiefen Schatten unter ihren Augen auf und wie schwach ihr Lachen klang. Die Schale mit heißer Suppe, die sie zuvor getrunken hatte, hatte ihr zwar gutgetan, aber was sie wirklich brauchte, war Schlaf. »Es überrascht mich, dass Helena ein solches Benehmen in ihrem Hause duldet.«
Cem zuckte die Achseln. »Ich glaube, ihr war's ganz recht. Dann muss sie sich nicht dauernd um Grace kümmern. Um die Wahrheit zu sagen, ich bin selbst nicht ganz unglücklich.«
Was wohl noch untertrieben war, wie Adam
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