Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen
vorstellen können, was für eine Last so ein langes Leben ist. Die meisten würden alles dafür geben, noch ein wenig länger zu leben. Wenn die Diebe Käufer gefunden haben, die bereit sind, ein Vermögen für sechshundert weitere Lebens-jahre auszugeben - selbst wenn sie dafür in Kauf nehmen müssten, dass sie sich von Blut ernähren müssen - dann hätte sich der Diebstahl schon mehr als gelohnt.«
»Ja, das wäre möglich«, räumte Adam ein. »Aber wir sollten die Möglichkeit, dass auch Vampire darin verwickelt sind, nicht vollständig ad acta legen. Ich glaube, der Mann, der Sara kontaktiert hat, war wahrscheinlich ein Mensch.
Deshalb hat Sara auch keine Angst vor ihm gehabt. Aber wie ist dieser Mensch überhaupt auf Sara gekommen? Wie hat er von uns erfahren? Verräter hat es schon immer gegeben; aber, wie Helena sagte, sie wurden meist schnell gefasst. Jemand muss diesen Menschen von der Existenz der Formel erzählt haben.«
Im Kamin brach knackend ein verkohltes Stück von einem brennenden Holzscheit ab. Helena beugte sich vor, nahm noch eins von dem Stapel neben dem Kamin und warf es ins Feuer.
»Was ist mit dem Bahnhof?«, fragte sie, nachdem das Holzscheit Feuer gefangen hatte. Ein heißer Luftzug strich vom Kamin durch den zugigen Saal. »Sara hat sich doch am Samstag angeblich mit diesem Mann dort getroffen, oder?«
»Ja, aber ich fürchte, das war auch eine Sackgasse.«
Adam seufzte. Er hatte so gehofft, dass die Bänder ihnen weiterhelfen würden, aber wieder nichts.
»McLeod hat sich die Aufnahmen von dem Tag angeschaut. Sara ist zwar ein paar Mal kurz drauf zu sehen, aber niemand, mit dem sie redet. Entweder, der Mann hat sie an einer blinden Stelle angesprochen oder er ist überhaupt nicht aufgetaucht. Die einzige Spur, der wir jetzt noch nachgehen können, ist diese Tätowierung. William sagt, einer seiner Informanten habe einen Hinweis. Er wird mir Bescheid sagen, sobald er mehr weiß.«
»Und dieser Mann, der am Manor Place ausgeraubt wurde? Der dieselbe Tätowierung hatte?« Cem starrte sinnend ins Feuer.
»Der hat im Krankenhaus einen falschen Namen und eine falsche Adresse angegeben.« Wieder eine vielversprechende Spur, die sich in Luft aufgelöst hatte. Im Moment konnten sie nichts weiter tun als warten. »Wenn sich William nicht bald meldet, dann fahre ich nach Edinburgh zurück und schaue die Verbrecherakten durch. Vielleicht erkenne ich ja einen der Killer, die hinter Lea her waren.«
Das konnte ewig dauern, und er war nicht mal sicher, ob er die Männer wiedererkennen würde, wenn er sie sah.
Aber es war das Einzige, was ihm einfiel, und um Längen besser, als nichts zu tun.
»Ah, da bist du ja!«
Victoria strahlte Helena an, die aufstand, um sie zu begrüßen. »Ich habe Lea überredet, ein paar Sachen von mir anzunehmen, wenn sie dafür ein Glas Port kriegt. Du hast doch sicher irgendwo einen rumstehen, oder?«
»Natürlich. Im Kabinett.« Helena lächelte Lea zu und erhob sich, um das Gewünschte zu holen.
Lea folgte Victoria zögernd zu der Sesselgruppe vor dem Kamin. Sie war verlegen, weil sie unter der Schottendecke nur ein seidenes Nachthemd mit Spitze anhatte.
»Ich glaube, ich sehe rasch mal nach meiner Schwester, wenn ihr nichts dagegen habt«, sagte Victoria zu den dreien.
Cem erhob sich sofort und trat neben seine Frau. »Ich begleite dich.«
Lea drückte sich noch immer hinter einem der Sessel herum, als die zwei gegangen waren. Sie konnte Adam nicht in die Augen sehen.
»Willst du dich nicht setzen?«, fragte Adam, der neben dem Kamin stand. Ohne ihn anzusehen, ließ Lea sich in den nächstbesten Sessel sinken.
»Ist was?«, fragte Adam besorgt. Seine Besorgnis war das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte. Ihr war nämlich bei der Ankunft in dieser Burg, die Helena ihr Zuhause nannte, klar geworden, wie es jetzt um sie stand.
Ihre Aufgabe war zu Ende.
Marys Leiche war gefunden und Lea damit überflüssig.
Jetzt musste sie aus dem Kontrakt aussteigen, und dann würde man ihr jemanden schicken, der ihr das Gedächtnis löschte.
»Lea?« Adam ging vor ihr in die Hocke und hob ihr Kinn. Jetzt musste sie ihn anschauen. Ihre Augen wanderten über seine Gesichtszüge, sie versuchte sich alles ganz genau einzuprägen. Mein Gott, warum tat es nur so weh, ihn verlieren zu müssen?
Lea holte zitternd Luft.
»Gib ihr das da.« Helena hatte ein großes Glas Port in der Hand, das Adam nahm und in Leas leblose Finger drückte. Dabei rutschte die Decke von
Weitere Kostenlose Bücher