Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen
Gesicht herum, und Lea erwachte blinzelnd aus ihrer Versunkenheit.
Das perfekte Paar Lippen waren Helenas gewesen, wie sie jetzt erst bemerkte.
»Entschuldigt, ich bin heute ein bisschen zerstreut.«
Helena schob den Trüffel in ihren Mund und kaute.
»Hm, das ist interessant. Adam war heute Morgen auch ziemlich zerstreut. Muss an der Luft liegen ...«
Adam. Schon bei der Erwähnung seines Namens stieg ihr die Röte in die Wangen. Sie konnte ihn noch riechen, wie sie überrascht feststellte, ein würziger, männlicher Geruch, nicht stark, aber stark genug, dass sie ihn immer noch in der Nase hatte. Dabei hatte sie heute früh geduscht.
Und die Sachen, die sie anhatte, waren von Victoria geborgt. War sein Geruch in ihre Haut eingedrungen? Genug Hautkontakt hatten sie letzte Nacht ja gehabt...
Ein lautes Zeitungsrascheln riss sie aus ihrer Erstarrung.
Wieder blinzelte sie. Dann merkte sie, dass sowohl Helena als auch Victoria sie überrascht anstarrten.
»Was?«, fragte sie, ein wenig defensiver als beabsichtigt.
»Ach, nichts«, sagte Victoria. Ihr Grinsen reichte beinahe bis zu ihren Ohrläppchen.
»Hm«, sagte Helena, schon weit weniger erfreut. »Also, Lea, dann erzählen Sie doch mal was von sich.«
Täuschte sie sich, oder begann sich hier ein Verhör zu entwickeln? »Was denn?«, fragte sie abwehrend.
»Ja. Was Sie so machen. Wenn Sie nicht gerade die Rolle der Madame Foulard spielen.« Helena brach ein Stück von einem Shortbread ab und schob es in den Mund. Vor ihnen in der Mitte des Tisches stand eine überquellende Platte mit süßen Köstlichkeiten.
Das hatte Helena also schon gehört? »Ach, nichts weiter«, wehrte Lea ab.
»Aber Sie müssen doch irgendeine Arbeit haben, Lea«, warf Victoria ein, die soeben Marmelade auf ihr warmes Scone strich. »Für Ihre Geisteraustreibungen nehmen Sie ja kein Geld, sagten Sie.«
»Ach, unwichtige Jobs«, sagte sie ausweichend.
»Ah, da fällt mir was ein!«, rief Victoria mit glänzenden Augen, »Sie waren das ja im Rhubarb! Mit Marco Venetto. Er ist ein Star, Lea! Und er soll mächtig Erfolg bei den Frauen haben, wie man hört. Seine letzte Freundin war eine Prinzessin! Und er war mit Ihnen ... sind Sie zusammen?«
Lea wusste zwar, dass Victoria keinen bösen Knochen im Leib hatte, wünschte aber dennoch, die Frau hätte zur Abwechslung mal die Klappe gehalten. Auf Helenas Gesicht hatten sich dunkle Gewitterwolken zusammengebraut, womit sie noch mehr Ähnlichkeit mit ihrem Bruder hatte. Jetzt steckte sie wirklich in der Klemme. Wie kam sie da wieder raus?
»Marco und ich sind nur Freunde ...«
»Nur Freunde?«, unterbrach Helena. »Haben Sie denn viele reiche männliche Freunde?«
Es war klar, was damit angedeutet werden sollte, und wäre Lea ein wenig gelassener gewesen, sie hätte zugeben müssen, dass dieser Verdacht unter den gegebenen Umständen nicht ganz aus der Luft gegriffen war ... aber sie war nicht gelassen. Sie war stinksauer. Und sie fühlte sich in die Enge getrieben.
»Die habe ich tatsächlich, und zwar haufenweise. Marco ist bloß ein kleiner Fisch.«
Helenas Augen wurden kohlschwarz. Mit bebenden Nasenflügeln beugte sie sich über den Tisch. »Ich weiß nicht, welche Macht Sie da über meinen Bruder ausüben, aber eins lassen Sie sich gesagt sein: Wenn Sie ihn an der Nase rumfuhren, wenn es hier nur um Geld geht, dann kriegen Sie's mit mir zu tun! Verstanden?«
Das letzte Mal, als ein Vampir sie mit so kohlschwarzen Augen angesehen hatte, hatte sie sich selbst an einem gusseisernen Parktor ausgeknockt. Jetzt jedoch war sie überhaupt nicht eingeschüchtert. Sie war viel zu müde, um sich noch etwas draus zu machen. Helena wollte also die große Schwester spielen, die den kleinen Bruder vor einer Mitgiftjägerin beschützt? Na gut, sollte sie doch.
Lea ignorierte Victorias entsetzten Blick und griff sich stattdessen seelenruhig einen Trüffel. Sie schloss kurz die Augen und ließ sich die Schokolade auf der Zunge zergehen. Dann sah sie Helena wieder an.
»Ich verstehe sogar sehr gut. Sie kennen mich überhaupt nicht. Und trotzdem haben Sie beschlossen, dass ich eine kleine Goldschürferin bin und es auf Ihren Bruder abgesehen habe. Kristallklar.«
Helenas Augen nahmen wieder ihre normale Färbung an. Verwirrt lehnte sie sich zurück. »Adam hat recht. Sie reagieren wirklich nicht so, wie Sie sollten.«
Lea zuckte mit den Schultern. »Ich enttäusche Sie ja nur ungern, Helena, aber man hat auf mich geschossen, ich habe
Weitere Kostenlose Bücher