Unsterblich geliebt
Ledermantel. Ein Hauch von Moschus? Dieser Fremde hat mich also mit seinem Mantel zugedeckt.
Mein Laptop? Ist noch da und meine Tasche unberührt.
Das Feuer muss auch dieser Mann entzündet haben und es brennt wohl schon länger. Also hätte er inzwischen genug Zeit gehabt, mich auszurauben oder … besser nicht dran denken, Lara. Anscheinend ist mir zur Abwechslung einfach mal etwas Gutes passiert. Danke, lieber Gott.
In der Hoffnung, ihre Muskeln würden wieder zum Leben erwachen, bevor der Fremde sich umdrehte, verhielt sie sich ganz still und musterte ihn derweil.
Der äußerst gut gebaute Mann, saß auf einem angeschwemmten Stück Baumstamm und sah gedankenverloren ins Feuer. Die Ruhe und Sanftheit, die er dabei ausstrahlte gefiel ihr und beruhigte sie ein wenig.
Mit seiner attraktiven Gestalt hätte er ohne weiteres ihrem Ritterroman entspringen können. Seine glänzenden, goldbraunen Haare fielen ihm in Wellen bis auf die Schulter herunter. In dem edlen, weißen Hemd und der braunen, vermutlich sündhaft teuren Wildlederhose, wirkte er natürlich, aber gleichzeitig sehr gepflegt. Die Ärmel waren hochgekrempelt, wie ihre eigenen und trotz der Kleidung war sein muskulöser Körperbau deutlich zu erkennen. Vermutlich hätte er mit diesen Muskeln und bei seiner Größe, die sie auf 1,90 m schätzte, leicht eines dieser mittelalterlichen Schwerter ausdauernd führen können.
Ja, ja,– wieder Mal typisch Autorin, Lara!
Bei dieser Vorstellung schlich sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Wäre ihr Roman nicht schon fast im Druck, hätte sie ihn mit Vergnügen als Vorlage für ihren Ritter genommen. Vielleicht ließ sich da ja noch was ändern …
Man sagte ihr nach, dass sie sich die Männer „schön schreiben“ würde, aber hier saß der leibhaftige Beweis, dass ihre Fantasie durchaus der Realität entsprechen konnte. Dabei wäre ihr ein amüsiertes Schmunzeln heraus gerutscht, doch in diesem Moment drehte sich ihre männliche Fantasiegestalt langsam zu ihr um.
Tut er das absichtlich so langsam? Versucht er, mir keine Angst einzujagen? Oh, Mist! Ahnt er etwa, wie hilflos ich bin? Nein, unmöglich!
Sein zurückhaltendes Lächeln wirkte auf sie etwas unbeholfen, doch das machte ihn umso sympathischer. Endlich mal ein Mann, der um seine Kraft wusste und trotzdem nicht zum Macho mutiert war.
Sie biss sich auf die Lippe. Hätte sie Punkte vergeben dürfen, er wäre auf die volle Punktzahl gekommen.
„ Schön, dass sie endlich aufgewacht sind.“
Seine Stimme war tief und sanft, genau wie vermutet.
„ Ich habe mir schon Sorgen um sie gemacht. Darf ich mich vorstellen, ich heiße John - Whiteflower.“
Merkwürdig, er hatte gezögert und gewirkt, als müsse er sich den Nachnamen erst aus einer Liste heraussuchen. Log er sie an?
„ Mein Name ist Lara, Lara O’Brian.“
Sie brauchte jetzt schnell eine harmlose Erklärung, die von ihrer Hilflosigkeit ablenkte. Schließlich konnte ein schöner Mann mit guter Erziehung auch eine tödliche Bestie in sich verbergen.
„ Ich ähm - muss wohl eingeschlafen sein.“
„ Sie haben aber einen ungewöhnlich festen Schlaf.“
Sein Blick, sein Tonfall - Mist, er kauft mir das nicht ab! Und nach seiner Miene zu urteilen, hasst er Lügen.
„ Sie sind also schon länger hier?“
„ Eine ganze Weile.“
Sie hätte vor Wut schreien können, denn sie schaffte es noch nicht mal den Arm zu heben, um auf ihre Uhr zu sehen.
Reiß dich zusammen, Lara! Bleib ruhig!
„ Ach könnten sie mir bitte sagen, wie spät wir haben?“
Er blickte auf eine Schweizer Breitling, nicht gerade billig, das wusste sie. Eine Uhr für Leute, die Wert auf Qualität legten, aber kein Angeber-Statussymbol nötig hatten. Das zeugte für sie von Charakter.
„ Zehn Minuten vor Mitternacht.“
„ Die Zeit ist wie im Flug vergangen.“
Lahmer Spruch, aber sie war nervös. Er schien sie bis ins Detail zu mustern und ab dem Hals war ihr Körper immer noch wie tot, nicht die klitzekleinste Bewegung. Sie gab sich größte Mühe, genau das vor ihm zu verbergen, hätte aber schwören können, er durchschaute sie.
Dieser John sah sie schweigend an. Er wollte die Wahrheit wissen.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals, aber sie wich seinem Blick nicht aus. Die Stille zog sich hin und um nicht weich zu werden, schrie sie ihn im Geiste an.
Was erwartest du? Du bist für mich ein Fremder! Ich werde dir nachts, mitten in der Wildnis nicht meine Schwäche gestehen und mich deiner Gnade
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