Unsterbliche Gefährten - das böse Blut
ein leises Murmeln. Er schlägt die Augen wieder auf und blickt mich an. Unergründlich, in diesen Augen könnte man sich tatsächlich verlieren und es würde einem noch nicht einmal auffallen. Ich löse mühsam meinen Blick von seinem und sehe auf die zwei Einstichstellen, aus denen sein köstlich duftender Lebenssaft unermüdlich heraustritt. Es wäre keine gute Idee, jetzt von seinem Blut zu kosten.
„Justin, ich …“ Beginne ich zögernd und überlege, wie ich es ihm sagen soll.
„Ich glaube, das wäre nicht gut für dich, ich kann mich nicht so gut beherrschen. Ich … könnte vielleicht nicht wieder aufhören.“ Ich presse die Lippen aufeinander und ärgere mich über mich selbst.
„Bitte, Tascha“, er macht eine Pause und leckt sich über die Lippen, „ich vertraue dir.“ Damit legt er mir sanft seine Hand auf meinen Unterarm, eine Berührung, leicht wie eine Feder. Ich schließe die Augen und atme tief durch den Mund ein. Dann schlucke ich meine Befürchtungen, meine Angst herunter und öffne meine Augen wieder.
Er sieht mich immer noch an. Langsam und zögerlich hebe ich seinen Oberkörper zu mir hoch und beuge gleichzeitig meinen Kopf zu ihm herunter. Immer näher komme ich seinem Blut, immer intensiver wird sein Geruch, immer schlimmer spüre ich die Gier in mir aufsteigen. Ich bemerke, wie meine Zähne wieder zu Dolchen werden wollen. Krampfhaft versuche ich diesen Zustand niederzukämpfen. Ich schließe meine Augen wieder, verschließe sie vor seinem allzu köstlichen Blut. Langsam umschließt mein Mund seine Wunden am Hals, Justin stöhnt leicht und zuckt kurz zusammen.
Jetzt gibt es nur zwei Bewegungen, die ich ausführen kann. Die eine bedeutet Tod – seinen Tod – die andere bedeutet sein Leben. In mir tief drin entbrennt ein Kampf. Mein Monster schreit heiser, es brüllt und kreischt. Das Feuer lodert heiß auf. Sein Blut kann ich riechen und jetzt auch schmecken. Was soll ich nur tun, wie soll ich mich entscheiden? Zerstöre ich sein junges Leben jetzt und hier mit einer falschen Bewegung, die aber meinen Körper mit seinem köstlichen Blut nährt?
Oder gebe ich ihm sein Leben, indem ich stark bin? Stärker als ich es je zuvor gewesen bin. Stark genug um seinem wunderbaren Duft, seinem köstlichen Geschmack zu widerstehen?
Ich entscheide mich für sein Leben und verschließe mit meinem Speichel seine Wunden. Das Monster in mir stößt einen schrillen, enttäuschten Schrei aus, dann verstummt es. Doch Justins Blut ist nun genau dort, wo es nichts zu suchen hat, in meinem Mund. Wo ich es zwar vor einer halben Stunde noch unbedingt haben wollte, aber jetzt nicht mehr.
Auch wenn es mir fast körperliche Schmerzen zufügt, wende ich meinen Kopf ab und spucke sein Blut in hohem Bogen gegen die Badezimmerwand. Es klatscht ein bisschen, als es auftrifft und fließt dann langsam die Wand hinunter. Ein schauriger Anblick, wie aus einem Horrorfilm entsprungen. Der Geruch seines Blutes trifft mich wieder, aber diesmal ist es auszuhalten. Nur ganz kurz flackert das Feuer nochmals auf, um dann ganz zu verlöschen.
Ich blicke in sein Gesicht, ein Lächeln verzieht seine Lippen, die Augen verdrehen sich nach oben und sein Kopf kippt ein bisschen zur Seite. Er ist ohnmächtig geworden.
Ich hebe ihn hoch und trage ihn wie ein kleines Kind auf dem Arm zum Sofa. Dort lege ich ihn wieder ab, setze mich zu ihm und bette seinen Kopf auf meinen Schoß. Ich habe nicht vor ihn in diesem Zustand allein zu lassen, also werde ich hier warten, bis er wider zu sich kommt.
Die Sonne geht gerade auf, ich sehe ihr durch das große Fenster zu, es ist ein herrlicher Anblick.
Ein friedlicher Augenblick, in dem ich fast vergessen könnte, wer oder was ich bin.
Als Justin unruhig wird und seine Lider zu flattern anfangen ist es schon später Nachmittag. Immer wieder hat er im Schlaf, der die Ohnmacht irgendwann abgelöst hat, gemurmelt, unverständliches gemurmelt.
Er schlägt die Augen auf und sofort bin ich wie gebannt. Jetzt, da er dem Vampirdasein noch ein kleines Stück näher gerückt ist, ist sein Blick nur noch intensiver geworden, noch eindringlicher.
Ich muss lächeln.
„Na, wieder unter den Lebenden?“, frage ich ihn und ziehe die Augenbrauen noch oben.
„Ja“, er fasst sich an die Stirn, „und mir geht es erstaunlich gut, ich fühle mich … ausgeruht und klar im Kopf.“
Er setzt sich auf und blickt mich an. Mit einer Hand zuckt er, mit einer raschen Bewegung zu seinem Hals und streicht
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