Unsterbliche Gefährten - das böse Blut
lebendiger.
„Wohin führt uns denn unser nächster Auftrag? Du hast ja noch gar nicht nachgesehen“, führt er fast schon tadelnd hinzu.
Ich lache kurz auf, da hat er recht. Irgendwie verspüre ich kein großes Verlangen, diesen Auftrag auszuführen. Ich habe mir selbst versprochen, nur noch einen Auftrag auszuführen, also müsste es jetzt dieser sein. Genauso gut könnte ich aber jetzt sofort Schluss machen – ich bin hin und her gerissen.
Ich versuche meine Gefühle zu verdrängen, nehme den Umschlag, den ich achtlos auf die Küchenanrichte geworfen habe und reiße ihn mit einem Ruck auf.
Den gesamten Inhalt schütte ich auf die Arbeitsplatte vor mir. Heraus fällt ein Bild, ein maschinengeschriebenes Blatt Papier, eine handgeschriebene Notiz und ein Stück Jeansstoff.
Es trifft mich wie ein Blitzschlag. Dieser Geruch, der von dem kleine Stückchen Stoff zu mir hoch zieht, dieses Gesicht auf dem Foto – beides kenne ich, beides ist mir sehr vertraut. Beides gehört zu mir, es ist von mir. Das Glas, das ich noch in der Hand halte, zerspringt in meiner Faust. Das restliche Konservenblut läuft über meine Hand und tropft auf den Boden. Ich bemerke es kaum. Mein Blick ist fixiert auf dieses Foto, auf dieses Gesicht auf dem Foto. Um mich herum nehme ich nichts mehr war, die Zeit scheint still zustehen. Wäre ich ein Mensch, ich wäre augenblicklich in eine dankbare Ohnmacht gefallen. Nur um meinen Blick von diesen Augen auf dem Bild abzuwenden. Damit ich endlich nicht mehr dieses Gesicht anschauen muss. Nur um nicht daran zu denken, das es mein Auftrag ist, diesen Jungen zu töten.
Ich kann nichts fühlen, ich kann nicht mehr denken, in mir ist nur noch Leere, eine furchtbare Leere, die meinen ganzen Körper einzunehmen scheint.
Ich starre immer noch auf das Bild vor mir, nehme den Geruch war, diesen vertrauten, menschlichen Duft. Wie aus weiter Ferne höre ich Justin.
„Tascha?“, seine Stimme klingt ein wenig ängstlich und verwirrt.
„Tascha, was ist denn?“, er kommt zu mir und legt den Arm um mich, ich bemerke es kaum. Ich lausche nur in diese Leere in mir drin, höre tief unten aus meinem Innersten leise ein Wort. Es wiederholt sich immer wieder. NEIN! NEIN! NEIN!
Justin neben mir schüttelt mich an der Schulter.
„Tascha, was ist denn mit dir?“, er sieht auch auf die verstreut liegenden Unterlagen.
„Kennst du den Jungen?“
Ob ich den kenne , denke ich bei mir in diese Leere hinein, die mich komplett auszufüllen scheint.
Es ist so als wenn Justins Worte ein Echo in mir erzeugt hätten. Immer wieder höre ich die Worte „ Kennst du den Jungen “, und meine Antwort darauf: „ Ob ich den Jungen kenne ?“ Die Worte werden immer lauter in mir. Immer schneller höre ich die Sätze, bis sie ein gemischten Wortchaos sind, bis die Worte nur noch Unsinn ergeben.
Erst dann kann ich mich wieder bewegen. Langsam drehe ich meinen Kopf in Justins Richtung. Meine Muskeln und Sehnen am Hals scheinen zu knarren und zu ächzen. Ich fühle mich wie ferngesteuert.
„Ob ich ihn kenne?“, wiederhole ich nun laut und meine Stimme klingt krächzend.
Ich blicke erneut auf das Bild.
„Das ist mein Sohn, mein richtiger Sohn“, ich hole tief Luft. „Das ist Dennis.“
Dennis, Dennis, Dennis, in meinem Kopf hallt sein Name wie ein Echo nach, und löst damit die unsinnigen Wortfetzen ab.
Ich fühle noch diese hohle Leere in mir, aber ich spüre schon, wie sie langsam von einem anderen Gefühl verdrängt wird – Hass – blinder, wütender, alles vernichtender Hass
Das wird sich besser anfühlen, denke ich bei mir, damit kann ich umgehen. Besser als diese tote Leere, deren Grenzen ich nicht einschätzen kann. Ich warte auf das Hassgefühl, erwarte es sehnsüchtig, um mich damit einzuhüllen, um darin zu versinken und vielleicht auch zu ertrinken.
Ich bin noch nicht sehr lange ein Vampir erst seit zehn Jahren. Komisch, wenn man sonst mit Vampiren spricht, oder von welchen hört, sind alle immer mindestens über fünfzig Jahre schon verwandelt, die meisten noch viel, viel länger. Aber irgendwann haben alle mal angefangen – angefangen ein Vampir zu sein.
Mein Entschluss stand damals sehr schnell fest, in das Reich der Verdammten zu wechseln.
Ich habe bei Frank als Sekretärin gearbeitet und bin gut mit ihm ausgekommen. Irgendwann erzählte er mir von seinem wahren Wesen und ich war fasziniert.
Wochenlang erklärte er mir die Vorteile ein Vampir zu sein. Die wenigen Nachteile wollte ich erst
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