Unsterbliche Gefährten - das böse Blut
Kopf
Sind meine Augen wieder normal? Ich meine, sehen sie wieder normal aus, ohne diese … eh, … desperatio – ohne diese Verzweiflung?
„Ja“, seine Stimme klingt laut, in der Stille des Zimmers.
Ich lege meinen Kopf wieder auf seine Brust.
„Ich danke dir.“
Te amo höre ich ihn in meinem Kopf flüstern. Erneut streicht er mir übers Haar.
Ich glaube, ich liebe dich auch, schicke ich ihm in Gedanken und schließe meine Augen.
Als ich sie wieder öffne umgibt mich eine vollkommene Dunkelheit. Ich spüre, dass ich alleine bin. Ansgar ist gegangen – ich weiß nicht wann.
Ich seufze tief und lang.
Was habe ich da nur wieder getan, war das alles richtig?
Ich spüre plötzlich eine Welle der Kraft in mir aufsteigen.
N ecesse est . Es ist, wie es ist – unausweichlich.
Fast ist mir, als höre ich Ansgars Stimme in meinem Kopf, aber es ist meine eigene, sie klingt neu – voller Macht, Kraft und … Wissen.
Ich reiße meine Augen weit auf, sollte Ansgars Blut in mir mich so verändert haben? Ist es nur das oder …?
Ich stehe schnell auf und gehe in Joshs Badezimmer. Nur zögernd nähere ich mich dem Spiegel. Ich habe ein bisschen Angst davor, was ich dort zu sehen bekomme.
Dann erblicke ich mein Spiegelbild, sehe mein schmales Gesicht, mit den hohen Wangenknochen, die langen schwarzen Haare, die meinen Kopf wie einen Mantel umhüllen. Der Mund, mit den vollen Lippen, die in meinem weißen Gesicht viel zu rot erscheinen.
Dann erst habe ich genug Mut gesammelt, um in meine Augen zu sehen. Ich schnappe nach Luft, mein Kiefer klappt nach unten, mein Mund bleibt mir vor Erstaunen offen stehen.
Die desperatio – die Verzweiflung ist aus meinen Augen gewichen, da hatte Ansgar recht.
Allerdings hat er mir verschwiegen, dass sie sich trotzdem verändert haben.
Zuerst sehe ich das kleine Feuer in den Pupillen lodern, es flackert kurz. Die Farbe ist die gleiche geblieben, nur das sie sich jetzt bewegt – zähfließend im Kreis dreht, wie Lava, die träge dahin fließt. Das Braun wird begrenzt von einem schmalen, glutroten Ring, der leicht pulsiert.
Es ist, als starren mich Ansgars Augen aus dem Spiegel an. Aber sie sehen nicht genauso aus, irgendetwas ist anders an meinen Augen. Ich überlege, ich grübele, aber ich komme nicht dahinter, während ich immer noch in mein Spiegelbild starre.
Deine Augen sind weicher , höre ich Ansgars Stimme in meinem Kopf. Sie haben noch nicht so viel Leid gesehen, jede Menge Unschuldige getötet und noch nicht so viele Kriege angeführt.
Plötzlich steht er hinter mir, umarmt mich und legt sein Kinn auf meine Schulter. Und das ist auch gut so, höre ich ihn wieder. Er blickt mich im Spiegel an und lächelt.
Das sind dieAugen der necessitudo, er küsst mich auf den Hals . Der engen Verbundenheit.
Ich drehe mich um und schlinge meine Arme um ihn.
„Sie gefallen mir, ich möchte gerne, dass es so bleibt“, flüstere ich an seine Brust gelehnt.
„In perpetuum“, er nimmt mein Gesicht in beide Hände und sieht mich an. Der begrenzende Ring pulsiert einige Male.
„Auf immer, auf ewig“, sagt er leise, dann umarmt er mich heftig, in meinem Kopf höre ich ihn seufzen.
Wir sitzen alle drei in Joshs Hinterhof und unterhalten uns über die bevorstehende Jagd auf Justin und Dennis.
Meine veränderten Augen hat Josh mit einem Stirnrunzeln und einem grimmigen Blick auf Ansgar quittiert. Dann war das Thema vom Tisch.
„Wir müssen auf jeden Fall zusehen, das sie dich nicht so weit von uns weg locken können.“ Sagt Josh gerade, ich höre kaum zu, kann mich nicht richtig konzentrieren – ich habe irrsinnigen Durst. Ich will aber keine Konserve, da ich befürchte, sonst nicht hungrig genug auf meine Beute zu sein.
Erstmals seit langem meldet sich mein inneres Monster wieder, es kreischt und jault.
Bis hierhin habe ich es gut in Schach gehalten, da ich es immer schneller mit Blut ruhig gestellt habe, bevor es überhaupt schreien konnte.
„Zu nah darf es aber auch nicht sein, sonst haben sie euch entdeckt. Vergiss nicht, sie sind nicht dumm.“ Ansgars Stimme dringt kaum zu mir durch. Ich starre vor mich auf den Tisch und lausche dem Monster – wie es brüllt und schreit – wie es nach Blut verlangt.
Josh steht gerade auf und hebt Ansgars leeres Glas an,
„Auch noch was?“, ich höre keine Antwort, ich achte aber auch kaum auf die beiden.
Plötzlich ist Ansgars Stimme wieder in meinem Kopf, er übertönt das Monster, das Knurren und Kreischen wird
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