Unsterbliche Küsse
vielen Kühen, Pferden und netten runden Schweinchen.«
Tom schüttelte sich angewidert und verlor ein Stück Asche. »Und wann hast du das letzte Mal von einem deiner tierischen Freunde gesaugt?«
»Vor ein paar Wochen.«
Tom pfiff durch die Zähne. »Bei Abel und allen unseren Vorfahren, du bist ein Narr. Damit schwächst du dich doch nur selber. Kein Wunder, dass du an dieser Menschin gesaugt hast. Du konntest schlicht und einfach nicht anders.«
»Ich habe nicht gesaugt«, knurrte Christopher. »Ich habe gekostet.«
»Und sie war willens? Hat sich nicht gewehrt?«
Seine Augen brannten, als er den Kopf schüttelte, darin die Erinnerung, wie sie sich in der Dunkelheit an ihn presste, an die Wärme ihres weißen Nackens, den Geruch ihrer Haut und die berauschende Süße ihres Lebenssafts.
Tom beugte sich zu ihm hinüber und patschte ihm aufs Knie. »Das ist es doch, Alter. Zapf sie wieder an. Du brauchst ihre Kraft, und sie ist willens. Warum nicht. Ist auch nicht weiter schlimm. Irgendwann geht sie zurück in die Staaten und berichtet ihren Freunden von diesem sagenhaften Engländer. Aber sei lieber vorsichtig, nicht dass die Mädels gleich scharenweise rüberkommen, um sich einen dieser legendären englischen Liebhaber zu schnappen.«
Ihm war nicht nach Toms Witzen zumute. Er bohrte die Ferse in den türkischen Teppich. »Hilft alles nichts, Tom. Ich könnte ewig saugen, und doch meinen Durst niemals stillen.« Darauf herrschte Schweigen, nur das Ticken der Uhr auf dem Kaminsims war zu hören, eine Unterhaltung abfahrender Gäste draußen auf der Straße und ein Taxi, das, den Gang wechselnd, in die Curzon Street abbog.
Toms Augen weiteten sich; der Schrecken stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Du würdest dich mit ihr zusammentun? Einer Sterblichen?«
Christopher lächelte, wissend, dass dies unmöglich war. »Zusammentun? Sterbliche haben dafür ein anderes Wort.«
»Aber du bist kein Sterblicher. Sterbliche haben dich betrogen und umgebracht. Saug sie aus, stärke dich an ihr, aber, bei Abel, Kit, doch bloß nicht das!«
Christopher schüttelte den Kopf.
»Reg dich nicht so auf, Tom. Eher leg ich mich splitternackt in die Sonne. Mein Wille ist stark genug, und sie hat absolut nichts zu befürchten.« Als hätte er sich ihr nicht im Mondschein genähert.
»Dann halt dich fern von ihr, bleib hier in der Stadt, bis sie weg ist.«
»Nein, schon allein wegen der Bücher muss ich zurück. Es gibt in diesem Dorf zu viele neugierige und hinterhältige Geister.« Er lächelte seinem Freund zu. »Du machst dir zu viel Sorgen.«
»Vielleicht. Aber dein Todestag ist nahe, keine zwei Wochen entfernt, die gefährlichste Zeit für dich.«
»Das sagst du mir schon seit vierhundert Jahren, immer im Mai, und ich bin noch immer am Leben.«
»Mehr durch Glück als durch besseres Wissen.»
»Immerhin.«
Tom legte seinen Zigarrenstumpen auf einem Porzellanaschenbecher ab. »In zwei Stunden dämmert es, und es soll ein sonniger Tag werden. Fühlst du dich stark genug, den Wettlauf gegen die Sonne aufzunehmen, oder willst du lieber bleiben?«
Er wollte lieber bleiben. Der Flug hatte ihn ermüdet, und er wollte sich ausruhen. Dixie war die Nacht über in Sicherheit, und wenn der kommende Tag sonnig war, würde er sie, egal wo er war, sowieso nicht beschützen können. »Deine Gastfreundlichkeit weiß ich natürlich wie immer zu schätzen, Tom.«
Der Putztrupp kam angerückt, als Dixie sich gerade den zweiten Kaffee eingoss. Angesichts des Trubels, der sich blitzschnell im ganzen Haus ausbreitete, floh sie schnell nach draußen in die Sonne und fand ein Plätzchen auf der verwitterten Steinmauer, die die gepflasterte Terrasse umgab.
Noch ehe sie ihren Kaffee ausgetrunken hatte, zog es sie in den Garten. Ihre ganze Aufmerksamkeit hatte bisher immer nur dem Haus gegolten, den Garten dagegen kannte sie kaum. Allenfalls zu nächtlicher Stunde war sie halbblind darin herumgetappt oder sie hatte mit Christopher geturtelt. Bei dem Gedanken an ihn wurde sie puterrot, denn sie hatte an diesem Morgen extra einen Rollkragenpullover anziehen müssen, um den riesigen Knutschfleck an ihrem Hals zu kaschieren.
Sie tappte durch knöchelhohes Gras, über bemooste Ziegelpfade und von Unkraut überwucherte Kieswege. Die dunklen Formen, die ihrer Umarmung mit Christopher Schutz geboten hatten, entpuppten sich als Fliedersträucher, die dringend geschnitten werden mussten. Die seltsamen Erhebungen, über die der Einbrecher an jenem
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