Unsterbliche Küsse
an ihrem Knie. Das war zu viel! Mit beiden Händen fasste Dixie die Tischkante und hob sie kräftig an; Reis, Curry und fast ihr ganzes Guinness landeten auf James’ Schoß.
»Oh, tut mir leid«, sagte Dixie mit gespieltem Bedauern, als James aufschrie und ein Wischtuch verlangte. »Der Tisch hat so gewackelt.«
»Bitte schön, Mr Chadwick«, sagte Alf und gab ihm ein Handtuch. »Sie bekommen selbstverständlich ein Neues, Miss LePage«, fuhr er fort, während Vernon das heil gebliebene Glas vom Boden aufhob.
»Nein, danke, es war ohnehin fast leer. Und entschuldigen Sie bitte das Chaos.«
»Keine Ursache, nicht Ihre Schuld. Diese Tische aber auch!« Er sah ihr direkt in die Augen. »Nicht zum ersten Mal, dass so was passiert.«
Dixie beschloss für sich, dass sie Alf wirklich mochte. »Ich geh dann besser mal, nachdem ich den halben Laden ruiniert habe.« Sie hielt kurz inne. »Und nennen Sie mich doch bitte von jetzt an Dixie.«
Alf lächelte und streckte die Hand aus. »Nichts lieber als das, Dixie.«
Um den schwarzen Eichentisch versammelt saßen acht Mitglieder und zwei Novizen, die Blicke auf die in einer Kupferpfanne abbrennenden Eschenzweige gerichtet. Als von einer der schwarzen Kerzen Wachs auf die polierte Tischplatte tropfte, beugte sich Ida nach vorne, um es aufzunehmen.
Sebastian schaute böse. Konnte die alte Vettel denn nicht warten? Wenn sie die Kupferpfanne auch nur angefasst hätte … Strenge war das A und O im Zirkel. Sie waren lange unterbesetzt gewesen, und die beiden Novizen galten als große Hoffnung. Nun ja, Sally wirkte zumindest vielversprechender als James, aber wie sollte das auch anders sein.
Emily sprach die Eröffnungsformel und hielt inne, als die Zweige zu Asche zerfielen. In der darauf folgenden Stille legte sie einen Goldring in die Asche. Dann, nach einer angemessenen Pause, erhob sich Sebastian und entlockte einer schmalen Flöte einen langen, tiefen Ton.
Nachdem er verklungen war, fragte Ida: »Wie läuft es, James? Konntest du etwas finden?«
»Nicht die Bohne. Ich schwöre, da ist nichts. Ich habe das Haus dreimal auf den Kopf gestellt und die Bibliothek Band für Band durchsucht. Keine Spur von dem, was wir suchen.«
»Tatsächlich?« Sie klang nicht gerade überzeugt. »Sally, wie lief’s bei dir?«
Sie hatte nichts von James’ blasierter Selbstgewissheit, eher eine Art natürlichen Mitteilungsdrang. »Ich habe mich genau umgesehen, als wir das Haus geputzt haben, und ich glaube, James hat recht, was die Papiere betrifft. Da ist nichts. Aber …« Sie machte eine Kunstpause, sehr zum Ärger von Sebastian, dem billige theatralische Tricks dieser Art zuwider waren. »Etwas hab ich doch gefunden. Sie wollte nicht, dass wir die Bibliothek putzen, und mir war klar, dass das einen Grund haben musste. Ich hab mich trotzdem umgesehen, soweit es ging. Keine Papiere weit und breit, aber ich habe einen interessanten Bücherstapel entdeckt, lauter alte Bücher über Zauberei und den Wiccakult.«
»Ich frage mich, ob sie so unbeleckt ist, wie sie tut«, sagte Ida. »Wer weiß, was sie mitgekriegt hat. Vielleicht hat ja ihre Großmutter …«
Niemand schien besonders glücklich angesichts dieser Vorstellung.
Ida legte ihre schrumpeligen Hände auf den Tisch. Alle Augen waren auf sie gerichtet. »Wir müssen herausfinden, was sie wirklich weiß, dann sehen wir weiter. Eine Möglichkeit wäre vielleicht, sie zu rekrutieren.«
In der darauf folgenden Stille rumorte es in Sebastians Kopf. »Lieber nicht. Diese LePage ist unberechenbar, ein Sicherheitsrisiko. Zuerst setzt sie mich als Nachlassverwalter ein, nur um dann völlig überraschend hier aufzukreuzen, angeblich für eine Woche, um ihr Erbe zu besichtigen. Mittlerweile ist sie eingezogen, macht Großputz und entwickelt ein Interesse für gewisse Bücher. Als Nächstes wird sie sich dann wohl das Grundstück genauer ansehen …« Er machte eine kurze Pause, um sich an diesen Aspekt zu gewöhnen. »Und zu allem Übel paktiert sie auch noch mit dem Vampir.«
»Mit dem Vampir werden wir fertig. Wir kennen doch den Jahrestag seiner Neugeburt. Da machen wir ihm endgültig den Garaus«, sagte Ida.
»Aber wir können ihn doch nicht einfach umbringen!« Sallys Stimme erbebte in der Stille.
Emily, die bisher geschwiegen hatte, legte ihre Hände auf den Tisch. »Meine Liebe«, sagte sie lächelnd zu Sally, »umbringen kann man nur lebendige Menschen.«
Sebastian musterte Sally und James. Unsichere Kantonisten alle beide.
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