Unsterbliche Sehnsucht
vernarbten Fingerknöchel seiner rechten Hand weiß hervortraten. Er war bereit, den ersten Mistkerl, der sich auf sie stürzte, auszuweiden.
In den Schatten begann sich nun Leben der einen oder anderen Art zu regen. Seelenlose Bastarde kamen auf sie zu; es lief wie geplant. Drei Jahrtausende lang hatten diese Kreaturen nicht einmal einen Knochen zugeworfen bekommen, nun hungerten die Gefallenen nach Seelen. Das, was sie nicht haben konnten, was ihnen verwehrt worden war, erschien ihnen nun unwiderstehlich. Der Erzengel Michael hatte sich mit der Verbannung der Herrschaften in diese kalte, magielose Welt eindeutig ins eigene Fleisch geschnitten. Vom Glück verlassene Suchtkranke, die sie waren, sehnten sich die Gefallenen nach dem Geschmack einer Seele, und Cuthah hatte ihnen genau diese Droge anzubieten.
Zehn angespannte Minuten später löste sich der erste Abtrünnige aus dem äußersten Winkel der Schatten. Durch die Feuerklingen fiel Licht auf ihn. Und er blieb nicht der Einzige.
Hesath ließ den Blick über ihre neuen Begleiter schweifen und zählte. »Es kommen noch mehr Gefallene.«
»Gut.« Genau das, was er brauchte. Die abtrünnigen Gefallenen würden gutes Kanonenfutter für seine Armee abgeben.
»Sie sind wahnsinnig.« Cuthahs Stellvertreter behielt den Mann im Auge, der als Erster ins Licht trat. Seine Beobachtung war weder als Provokation noch fragend gemeint, sondern nur eine besorgte Feststellung. »Ich kann nicht absehen, wie sie sich verhalten werden.«
Das stimmte. Die Gefallenen waren dem Durst nach Seelen verfallen, und mit der Zeit hatte sich eine unumkehrbare Veränderung ihrer Körper vollzogen. Der erste Mann in Cuthahs Kreis musste einst groß und breitschultrig gewesen sein. Nun jedoch wirkte sein Gesicht wutverzerrt, sein Rücken und die Schultern waren gebeugt, sodass er nur noch eine grausame Karikatur des einstmals starken Kriegers abgab. Als er aus den Schatten zu ihnen geschlichen kam, schien er mehr Bestie als Mann zu sein und schaute mit düsterem, unstetem Blick zu der Lichtquelle hinüber.
»Sie sind genau das, was ich brauche.«
»Es obliegt mir nicht, Fragen zu stellen, Herr, aber welchen Nutzen sollten diese Männer schon haben?«
Langsam wurde seine Neugierde lästig. Früher wäre der Kerl sofort von Cuthah getötet worden, weil er es wagte, Fragen zu stellen. Doch inzwischen blieb der Leutnant geduldiger. Immerhin hatte er Eilor gerade erst durch diesen Mann ersetzt. Ihn nun niederzustrecken würde ihm nur neuen Ärger einbringen, und das war es nicht wert.
»Ein Mal«, sagte er kalt. »Ein einziges Mal darfst du fragen. Sie sind formbar, verletzlich. Und sie wollen etwas, das wir ihnen bieten können.«
Sein Stellvertreter dachte über das Gesagte nach und nickte dann verständig. »Sie sind bestechlich.«
»Ja, auch wenn es ihnen selbst noch nicht klar ist.« Glücklicherweise konnte man sich ihre Loyalität ganz einfach erkaufen – genau das war noch so eine Schwachstelle in Michaels ursprünglichem Plan. Man konnte einem Mann über einen so langen Zeitraum nicht etwas vorenthalten und erwarten, dass er seine Bestrafung widerstandslos akzeptierte.
»Die zwei Frauen, die wir hergebracht haben …« Hesath ließ den Satz offen.
Sein neuer Stellvertreter schien gar nicht so dumm zu sein wie zunächst befürchtet. »Ja, die Frauen.«
»Lockmittel.«
»Ganz genau. Die Gefallenen hier wünschen sich nichts mehr, als so viele Menschenseelen leer zu trinken, wie sie bekommen können. Ich gebe ihnen also, was sie möchten – was sie brauchen, und dann habe ich sie in der Hand.«
Das Rekrutieren gestaltete sich so viel einfacher, wenn die Gefallenen selbst einer Sache verfallen wollten. Er besaß die Lockmittel, doch er musste die Kandidaten mit Bedacht auswählen. Nur ein Idiot würde einfach ins G2 marschieren und einem von den Kerlen dort sein Angebot unterbreiten. Diese Gefallenen gehörten zum harten Kern und zeigten sich loyal. Der engste Kreis um Zer war noch nicht bereit für das, was Cuthah ihnen anzubieten hatte.
»Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht.« Er richtete sich an den Abtrünnigen, der im Licht stand, wusste aber, dass in den Schatten noch weitere Männer lauerten und zuhörten.
Im Schutz der Dunkelheit erhob einer von ihnen das Wort. »Was willst du?« Seine Stimme klang rau, weil er sie lange nicht mehr gebraucht hatte, und ließ etwas von der Verwahrlosung und dem Wahnsinn erahnen, der alle Abtrünnigen erfasste. Verloren, verrückt und
Weitere Kostenlose Bücher