Unsterbliche Sehnsucht
Für gewöhnlich befasste sie sich sonst nur mit logischen Zusammenhängen und Fakten, doch in diesem Moment machte sie einen Schritt auf ihn zu. Sie vertraute ihm.
Nur war er ein verdammter Bastard – im wahrsten Sinne des Wortes.
Sie strich ihm sanft über die Schultern. »Erzähl mir, was hier wirklich vor sich geht, Zer.«
Mit der Wahrheit, die sie ja unbedingt hören wollte, würde er sie bestimmt herumkriegen. Doch dieser Sieg hätte einen bittersüßen Beigeschmack. Sie würde ihm zwar glauben, aber aus den falschen Gründen.
»Ich bin ein Mörder.« Er trat näher an sie heran, woraufhin sie ein kleines Stück zurückwich. Noch ein Schritt und sie stünde eingezwängt zwischen ihm und der Wand. Wenn er einatmete, konnte er sie riechen – und ihr Duft war genauso faszinierend wie alles andere an ihr.
Sie musterte ihn wie eine Lehrerin und ging im Kopf offensichtlich alle Fakten durch, analysierte. »Warum hast du rebelliert?« Die Frage war nicht an ihn gerichtet. »Du kannst meine Hypothese gern bestätigen oder widerlegen, aber ich nehme an, dass es irgendeine Art von Verrat gab. Du hattest einen triftigen Grund für dein Handeln.«
Bingo! Mittlerweile stand sie mit dem Rücken an der Wand. Zer stützte sich mit seinen starken Armen zu beiden Seiten ihres Kopfes ab. »Du bist gut, Frau Professorin.«
Nessa strahlte ihn an, als hätte er ihr ein Kompliment über ihre Augen oder ihre Haare gemacht. »Du scheinst mir nicht der Typ zu sein, der Machtkämpfe austrägt.«
»Warum denn nicht?« Er beugte sich ein Stück vor, quälte sich selbst, indem er sich der herrlichen Wärme ihres Körpers aussetzte. Er hätte die ganze Nacht so stehen bleiben können. »Du kennst mich nicht. Vielleicht bin ich ja ein kaltherziger Dreckskerl, der bloß gewollt hat, dass alles nach seiner Nase läuft.«
»Du willst, dass alles nach deiner Nase läuft, richtig«, stimmte sie ihm zu.
»Möchtest du eine Gutenachtgeschichte hören?« Er gab ihr ein Kissen und sie schlang die Arme darum. »Ich garantiere dir, dass du meine Storys nicht mögen wirst.«
»Probier’s doch aus.«
Aber wie sollte er ihr die Todesfälle begreiflich machen, für die sonst niemand eine Erklärung gefunden hatte? »Wir haben eines Nachts eine Zwillingsfrau gefunden«, begann er schließlich. »Tot. Ihr Körper war der Länge nach aufgeschlitzt.« Er ließ weg, was man dem Opfer sexuell angetan hatte. Nessa sollte schließlich keine Albträume bekommen.
»Warte. Zurück. Was ist eine Zwillingsfrau?«
Er winkte ab. »Stell es dir wie bei einem Geschwisterpaar vor.«
»Verwandte.« Sie nickte.
Quasi. Die Herrschaften wurden zwar nicht geboren, sondern hervorgebracht, aber es gab trotzdem eine Verbindung. »So ähnlich. Deshalb war ihr Zwilling so aufgebracht, als er sie fand.« Mit
aufgebracht
ließ sich Brends’ Zorn nicht einmal ansatzweise beschreiben. Der Mann war bereit gewesen zu morden.
»War sie die Erste?«
Oh Mann, vielleicht begriff sie ja, worauf er hinauswollte. »Nein. Im Himmel stimmte schon seit Monaten etwas nicht. Es gab Tote, Leute verschwanden …«
»Und das hat niemanden gekümmert? Hat denn keiner etwas bemerkt?« Sie klang genauso ungläubig, wie er es gewesen war.
Er hätte sie eigentlich nicht mit dieser Angelegenheit belasten sollen. Das wusste er. Immerhin war es seine Aufgabe, diese Schlacht zu schlagen, und nicht ihre – auch wenn er sie dabei als Waffe benutzen würde. »Du musst die Zusammenhänge verstehen, Baby. Die Frau hätte geschützt und behütet werden sollen. Wir haben sie jedoch im Stich gelassen«, fügte er grimmig hinzu, »weshalb sie gestorben ist. Uns trifft also eine genauso große Schuld wie den Mörder.«
»Du hast aber jemandem davon berichtet«, entgegnete sie. »Dem Nächsthöheren in der Rangordnung.«
»Nein.«
»Warum denn nicht?«
Weil er Michael selbst als Täter im Verdacht gehabt hatte. »Sinnlos«, antwortete er knapp. »Es war besser, das selbst zu erledigen.«
»Ihr habt den Mörder verfolgt.«
»Richtig.«
»Du wusstest, wer es war?«
»Ich habe meinen Freund Michael am Tatort gesehen.« Er lächelte kalt. »Mein Instinkt sagte mir, dass er es getan hatte, doch es gab keine Beweise. Und da wir nicht zulassen wollten, dass irgendeiner anderen Frau, die unter unserem Schutz stand, das Gleiche passierte, haben wir Vorsorgemaßnahmen ergriffen.«
»Ihr habt rebelliert.«
»Oh ja.« So konnte man es auch nennen. Er trug die Verantwortung für einen Arschtritt
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