Unsterbliche Sehnsucht
nichts von ihm und er – na ja, er wollte sie nur benutzen.
»Michael hat den Kampf gewonnen«, stieß er hervor. Es schmerzte, zuzugeben, dass er versagt hatte, doch die Wahrheit ließ sich nicht leugnen. Hier stand er, flügellos und verstoßen. Und Michael, der blutrünstige Erzengel des Himmels, verteidigte auch weiterhin den himmlischen Thron. Oh ja, es war ziemlich eindeutig, wer gesiegt hatte. Michael war der Goldjunge.
Doch das würde sich ändern.
Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete er die Frau vor sich, die zu ihm aufschaute. »Dieses Mal«, begann er und verschränkte die Arme vor der Brust, bevor er noch etwas tat, was er später bereuen würde, »wird es anders laufen.«
»Tatsächlich.« Ihr trockener Tonfall verriet, dass sie ihm das nicht abkaufte. »Du hast dich schon einmal mit diesem Kerl angelegt und verloren. Warum glaubst du, dass sich die Lage geändert hat?«
Deinetwegen
, dachte er.
Du bist mein Ass im Ärmel
. Doch wenn er ihr das verriete, säße sie bei ihrem Tausch am längeren Hebel. »Weil ich motiviert bin?«, schlug er vage vor.
»Sicher. Ein übernatürlicher Arschtritt. Eine kleine Verstümmelung von Haut und Knochen und du hast ohne Flügel dagestanden …« Sie zählte jede verletzende Einzelheit an den Fingern ab, als wären es Artikel auf einer Einkaufsliste. Dann setzte sie dem ganzen die Krone auf. »Jetzt bist du hier unten – und er ist
da oben
– oder auf welcher metaphysischen Ebene, die zwar unsichtbar ist, von der du aber schwörst, dass sie existiert, ihr das Jenseits heutzutage zusammenhaltet. Tut mir leid, aber deine Argumentation ist nicht gerade sehr überzeugend.«
Der Mond über ihnen tauchte die Szenerie in ein silbriges Licht. Das gelbe Absperrband der Polizei hatte schon seit hundert Jahren dieselbe Farbe. Von einer Studentengruppe, die von dieser dünnen Barriere zurückgehalten wurde, wehte der Geruch der Angst zu ihm herüber. Erregung und Neugier.
Er trat noch einen Schritt an sie heran, kam ihr absichtlich ganz nah. Sie sahen einander in die Augen und er setzte ein breites, unerbittliches Lächeln auf. »Dieses Mal werde ich gewinnen, Baby.«
10
Das verdammte Kleid hatte keinen Verschluss – nur eine Reihe kleiner dekorativer Knöpfe aus rotem Satin vorn an dem korsagenartigen Oberteil. Nessa sah aus wie ein Freudenmädchen. In diesem Aufzug würde sie sich auf gar keinen Fall im Hintergrund halten können.
Zer war sich sicher, dass die Professorin es hassen würde.
Dabei zuzusehen, wie sie den Gang hinunter auf ihn zukam, war die reinste Folter und schlimmer, als die vergangenen drei Tage damit zu verbringen, auf diesen Abend zu warten. Der schimmernde rote Stoff schmiegte sich an ihren Körper. Das Kleid stand in krassem Kontrast zu dem Büro-Outfit, das sie getragen hatte, als er gekommen war, um sie mitzunehmen. Gott sei Dank! Dennoch freute er sich nicht wirklich auf den Abend und vor allem nicht darauf, sie herzugeben. Ohne den Blick von ihr abzuwenden, drückte er hinter sich auf den Knopf des Fahrstuhls. Je schneller der Aufzug da wäre, desto besser. Er würde sich ruhiger fühlen, sobald sie beide unten im Club wären und sie sich erst auf der Tanzfläche befände.
Der Fahrstuhl kam, und als sich die Türen öffneten, stellte er sich davor – nur für den Fall, dass in der Diskothek irgendein Endzeit-Szenario geschehen war und er nichts davon mitbekommen hatte. Doch die Luft schien rein zu sein. Während er zur Seite trat, verspürte er dennoch das Verlangen, einen Kampf auszutragen.
Nessa trat in den Lift und zwängte sich an ihm vorbei.
Jedes Mal, wenn sie tief einatmete, quollen ihre Brüste über den Rand dieses verfluchten Korsetts. Zer hatte sein Eau de Cologne für den Rave an diesem Abend – für sie – mit Bedacht ausgewählt, aber zum Glück brauchte er diese Schwäche nicht zuzugeben. Er wollte nicht, dass sie glaubte, er hätte sich für sie so zurechtgemacht. Auch wenn das der Wahrheit entsprach.
Noch zwei Stunden – höchstens drei –, dann wäre er wieder frei und Nessa St. James eine Seelenverwandte. Einer seiner Brüder würde sich auch körperlich mit ihr verbinden und ihr Leben liefe wieder in den richtigen Bahnen. Abgesehen davon, dass sie für alle Ewigkeit an einen von
ihnen
gebunden wäre.
»Bereit?« Das hatte er sich eigentlich verkneifen wollen. Aus unerfindlichen Gründen verspürte er das Bedürfnis, sie zu beruhigen, hätte ihr am liebsten versprochen, dass der Mann, den sie wählte,
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