Unsterbliche Sehnsucht
lediglich vierundzwanzig Stunden dauerte. Er wollte mehr, und die eigentliche Frage lautete: Wie viel
mehr
?
»Ich werde niemanden auswählen«, erwiderte sie. »Er kann mich nicht dazu zwingen.«
Nael dachte einen Moment lang darüber nach. Dann nickte er. »Aber es schadet auch nicht, darüber nachzudenken, oder? Lass es dir durch den Kopf gehen. Schau sie dir an«, fügte der Gefallene mit sanftem Tonfall hinzu. »Ich werde dich allen vorstellen. Du hast jede Menge Zeit, zu entscheiden, ob dir gefällt, was du siehst, oder nicht.«
Ein wenig wünschte er sich, sie könnte vielleicht zu ihm gehören. Aber Nael ahnte schon, dass es nicht so kommen würde. Sie hatte ihre Wahl bereits getroffen, auch wenn es ihr selbst noch nicht bewusst war. Nichtsdestotrotz fand er, sie habe ein wenig Spaß verdient, und dafür konnte niemand besser sorgen als seine Brüder. Vielleicht spürte Nessa das auch, denn sie schmolz unter dem sanften Druck seiner Hand regelrecht dahin und ließ sich von ihm auf die überfüllte Tanzfläche schieben, wo seine Brüder sie mit gierigen Blicken förmlich verschlangen und sie zwischen den noch gierigeren Körpern der Gefallenen verschwand.
Nur kurz. Mit den Augen suchte er den Rand der Tanzfläche nach seinem Herrn ab. Doch Zer war nicht zu sehen, also konnte er ihr diese letzten Minuten in Freiheit ruhig lassen. Sie mochte vielleicht im Gegensatz zu ihm nicht danach lechzen, von anderen berührt zu werden, dennoch wollte er ihr dieses Vergnügen gönnen.
»Tanz mit mir«, flüsterte er an ihrem Ohr und genoss, dass sie vor Erregung erschauderte. »Spüre uns, Nessa.«
Die Musik pulsierte durch seinen Körper, ein lebendiger, dynamischer Technobeat, der zwischen ihm und allen anderen Tänzern eine Verbindung schuf. Hier, auf der Tanzfläche, konnte man sich selbst vollkommen vergessen und sich in dem Rausch aus Farben und Empfindungen verlieren. »Spüre es, Nessa.«
Männerhände strichen über ihre Unterarme, ihren Nacken, ihre Schultern. Der einfache Rhythmus der Musik war ebenso roh wie die Männer selbst, und Nessas widerstreitende Gefühle standen ihr nur allzu deutlich ins Gesicht geschrieben. Sie fühlte sich frei, irgendwie nackt – erregt. Naels Brüder schauten sie an, als wäre sie gleichzeitig die Sonne, der Mond und die Sterne in ihrem Universum, und auf diese Weise hatte sie noch nie jemand angesehen – ob nun Mensch oder nicht.
Der nächste Bruder ignorierte, dass sie protestierte, und redete sanft auf sie ein. Er hob sie hoch und hielt sie für einen kurzen Augenblick gegen seine trainierte, männliche Brust gedrückt. Aus dieser Nähe würde sie das Geräusch der aneinanderreibenden Klingen hören, doch der Mann machte seine Sache gut. Er kostete seinen Moment mit ihr aus, erinnerte sich dann aber an die Spielregeln und setzte sie sanft wieder in der Mitte der Tanzfläche ab, ehe sie Angst bekäme und Nael ihm alle Herrschaften auf den Hals hetzte. Er ließ noch kurz seine Finger locker auf ihrer Hüfte ruhen, dann glitt er beiseite, zwang sie zu nichts.
»Tanze, Frau! Tanze mit uns!«
Die Gefallenen warteten auf etwas, das sie ihnen nicht bieten konnte und auch nicht geben würde. Da ihr jedoch nichts anderes übrig blieb, um durch die Menge zu gelangen, tanzte sie weiter.
Bis sie sich endlich quer durch den ganzen Club bewegt hatte, war es fast schon Mitternacht. Nessa konnte spüren, wie sich eine angespannte Erwartungshaltung im Raum breitmachte. Alle Blicke ruhten auf ihr, und selbst die Leute, die vorgaben, nicht zu ihr herüberzustarren, beobachteten sie. So viel Macht zu besitzen war irgendwie verlockend, zugleich aber auch verstörend. Ihr gefiel die verzweifelte Hoffnung nicht, welche die Männer ausstrahlten. Man musste ihr definitiv etwas verschwiegen haben.
Machte sie Witze? Niemand hatte sich bemüht, ihr überhaupt irgendetwas von dem, was hier vor sich ging, zu erklären. Sie wusste nur, dass ihr bis Mitternacht Zeit blieb, sich zu entscheiden. Na schön. Das hatte sie bereits getan – sie wollte schleunigst von diesem Ort verschwinden. Da der Haupteingang eindeutig nicht infrage kam, würde sie dazu allerdings den Notausgang nehmen müssen, weil auch die Tür zur Seitengasse keine gute Idee zu sein schien. Sie brauchte sich nichts vorzumachen, die Gefallenen würden im Nu hinter ihr her sein. Und dann wäre sie gefangen wie eine Färse in einem Schacht – und so stellte sie sich den Ausgang dieses Abends nicht vor.
Sie hatte nur zwei
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