Unsterbliche Versuchung 2
dazu war, irgendetwas aus seinem Gedächtnis abzuspalten und auf Nimmerwiedersehen zu entfernen. Davon abgesehen bestand mittlerweile die Möglichkeit, dass er unzähligen Sterblichen bereits von mir erzählt hatte. Nicht dass man ihm groß Glauben schenken würde, aber erfuhr ein anderer Vampir von meiner Lappalie, würde er schnurstracks zum Menschenbeschützerverein, dem
Federal Bureau of Human Security
dackeln und denen petzen, dass ich Scheiße gebaut hatte. Die Kosten für eine derart ausufernde Gedächtnislöschung würde ich tragen müssen, und das konnte ich mir absolut nicht leisten. Hinzu kam dann auch noch, dass ich wohl nie wieder einen Job bekommen würde und tagtäglich einen von den Sesselpupsern auf dem Hals hatte, weil ich als unzuverlässiger Unsterblicher galt, der Gefahr lief, der ganzen Menschheit die Existenz von Vampiren näher zu bringen.
Seufzend packte ich die anderen Perlstrümpfe aus und warf die Verpackung zu den Überresten des ersten Paares. Einer von beiden hatte bereits eine ansehnliche Laufmasche. Vermutlich hatte die Maschinerie bei der Herstellung geschlampt. Ich griff in das zweite Fach meiner Kommode und angelte schneeweiße Tennissocken heraus. Dann würde ich heute eben mit meinem Outfit in der Masse versinken, auch gut.
Doch wo sollte ich nur weitersuchen? Der Typ war wie vom Erdboden verschluckt.
Den Job in der Bibliothek hatte er gekündigt. Die Adresse unter der er beim Arbeitgeber - einem fetten, alten Marokkaner - angemeldet war, existierte nicht mehr. So wie Tomas ehemaliger Wohnsitz ausgesehen hatte, hausten dort nur noch Ratten und Holzwürmer. Von den Nachbarn erinnerte sich niemand an den unscheinbaren, dürren Blondschopf. Nicht einmal an seine strahlendblauen Augen, dabei waren die wirklich das Auffälligste an ihm. Sie hatten sich unwiderruflich in meine Erinnerungen gebrannt und gingen mir nicht mehr aus dem Kopf.
Unschlüssig, wo die Suche an diesem späten Abend weitergehen sollte, verließ ich meine Wohnung und marschierte in urbequemen Turnschuhen und einer schlichten, sportlichen Jeanshose durch die Eingangshalle und trat ins Freie. Die Luft war erstaunlich klar und frisch, dabei brummten unentwegt Autos und Busse vorüber. Kurz strich ich mir die hüftlangen dunkelbraunen Haare über die Schulter nach hinten, prüfte den Sitz des weißen
Rolling Stones
T-Shirts und schlenderte über die Straße.
Eigentlich hatte ich überhaupt keine Lust mehr, nach dem Häufchen Mensch zu suchen. Ich wollte nur daheim sitzen, wie ein aufgedrehter Hamster in seinem Laufrad in meiner Wohnung herumrennen und hoffen, dass das prickelnde Gefühl zwischen meinen Schenkeln endlich nachließ.
Mit der Zeit war es so schlimm geworden, dass ich kurz davor stand, mich dem nächstbesten Vampir an den Hals zu werfen. Ich fühlte mich wie eine läufige Hündin, die winselnd um Erlösung bettelte. Aber ich wollte nicht nachgeben. Ich hatte es fast drei Jahrzehnte ohne Sex ausgehalten, also würde mir das auch weitere Jahrzehnte gelingen. Ich war einfach nicht der Typ Frau, die sich wildfremden Typen hingab, nur, um endlich wieder geradeaus laufen zu können. Notfalls würde ich in den nächsten Erotikshop rennen und mir einen
Mr. Amerika
kaufen.
Dass ich damals mit dem rothaarigen Iren im Bett, oder besser gesagt auf dem Küchentisch, gelandet war, lag einfach nur an seinem verschmitzten Grinsen und den Grübchen, die sich bildeten, wenn er so hinreißend lächelte.
In all den Jahrhunderten hatte ich mir nur Typen ins Bett geholt, die mich interessierten und mit denen ich mir mehr vorstellen konnte, als eine schnelle Nummer.
Ron, so hieß der irische Blutsauger, wurde noch in der gleichen Nacht von einem anderen Vampir zerstückelt, der Ansprüche auf mich erhoben hatte. Sie hatten sich benommen wie Tiere und ich beschloss mich niemals wieder auf einen Kerl einzulassen. Frei und unabhängig wollte ich sein und endlich meine Ruhe haben. Ich brauchte diese schwanzwedelnden Idioten nicht. Die konnten mir gestohlen bleiben!
„Hey, Sir? Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“, drang die Stimme eines verunsicherten Mannes in meine Gedanken und zersplitterte sie. Ich sah nach vorn und fragte mich, wieso der Hot-Dog-Verkäufer um diese Zeit noch draußen herum lungerte. Okay, wir waren nicht in New York, und das Risiko hier überfallen zu werden war verhältnismäßig gering, aber es bestand ohne Zweifel.
Der Typ mit der rotweißgestreiften Mütze war um seinen Stand herumgegangen und tätschelte
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