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Unsterblichen 02 -Unsterblich wie ein Kuss-neu-ok-27.01.12

Unsterblichen 02 -Unsterblich wie ein Kuss-neu-ok-27.01.12

Titel: Unsterblichen 02 -Unsterblich wie ein Kuss-neu-ok-27.01.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mina Hepsen
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Braut fühlte sie sich bestimmt nicht. Aber ein Teil von ihr würde sich
immer als Zigeunerin fühlen.
    Mit
klirrenden Armreifen hob sie die Hand und strich über den rauen Stoff des
Vorhangs. Er war warm. Warm von der Körperhitze all der Menschen, die draußen
saßen und unterhalten werden wollten.
    Sie
würde ihr Bestes tun. Immerhin brauchte sie diese Arbeit. Der Zirkus hatte sie
nach London gebracht und würde ihren Aufenthalt hier finanzieren, während sie
suchte.
    Ismail. Sie hörte dem munter schwatzenden Alten nicht länger zu. Ob der verfluchte
Bluttrinker vielleicht sogar heute Abend im Publikum saß? Aber selbst wenn, wie
sollte sie es herausfinden? Violet holte tief Luft, nahm den Geruch nach
menschlichem Schweiß in sich auf. So viele Gerüche: Geschwefelte Apfelscheiben,
geröstete Esskastanien, Bier, Parfüm, Rasierwasser. Ja, in den vorderen Reihen
saßen mehrere Aristokraten oder zumindest wohlhabende Menschen, sie erkannte es
am Geruch: den Münzen in ihren Taschen, dem Rouge auf Lippen und Wangen und den
frisch gestärkten Kragen.
    »Und
los geht's«, flüsterte der Alte begeistert. Violet hörte das Rascheln des
Vorhangs, als Graham nun in die Manege hinaustrat, und strich sich eine Locke,
die sich aus ihrer Frisur gelöst hatte, aus dem Gesicht. Der alte Graham war
kein schlechter Mensch. Der Zirkus war sein Leben, und seiner Frau ging es
ebenso. Sie behandelten ihre Leute streng, aber gerecht. Und wären die Umstände
anders gewesen, Violet war sich sicher, sie hätte ihre Zeit beim Zirkus
genossen.
    Aber
nun, da sie London erreicht hatte, nun, da sie ihrem Ziel so nahe war, wurde
sie nervös.
    Sie
war vormittags spazieren gegangen, und da war ihr mit einem Schlag klar
geworden, wie schwer es sein würde, Ismail zu finden. Sie wusste nichts über
ihn, und diese Stadt war riesig und voll von fremden Menschen.
    Immerhin
gab es zwei Dinge, die ihr helfen würden, wie Violet sich ins Gedächtnis rief,
während von der anderen Seite des Vorhangs der Applaus aufbrandete: Sie wusste, dass Ismail ein Bluttrinker war, und die
Seherin hatte ihr viel über diese Wesen beigebracht. Sie waren, selbst in einer
großen Menschenmenge, leicht ausfindig zu machen, weil ihr Atem nach Blut roch.
Und zweitens, Ismails Name. Morgen würde sie anfangen, sich umzuhören.
Irgendjemand würde bestimmt wissen, was Ismail für eine Art Name war. Bestimmt
nicht englisch. Oder gar schottisch.
    »Und
nun, Ladies und Gentlemen, schließen Sie Ihre Augen, und öffnen Sie Ihre Herzen
für unsere Lady Violine!«
    Violet
musste über die Ankündigung des Alten lächeln. Die Augen schließen, das war
gut! Erst gestern, bei einem gemeinsamen Abendessen, hatten die Zirkusleute
darüber diskutiert, wie seltsam es doch sei, dass die Zuschauer nie zu merken
schienen, dass Violet blind war. Violet hatte nichts dazu gesagt, aber sie
wusste, woran es lag: Weil sie sich ohne Angst bewegte, wie eine Sehende. Die
Dunkelheit hatte ihren Schrecken für sie verloren. Ihre Nase wies ihr den Weg.
    Stille
senkte sich über den Zirkus, als Violet durch den Vorhang ins Scheinwerferlicht
trat. Erhobenen Hauptes, barfüßig, schritt sie zur Mitte der Manege. Reglos
blieb sie stehen, nur die großen Creolen an ihren Ohren schwankten. Drei tiefe
Atemzüge, dann klemmte sie sich die Geige an ihren vertrauten Platz unterm
Kinn.
    Drei,
nein, vier Bluttrinker saßen unter den Zuschauern. Sie schauderte, als ihr der
Geruch nach Tierblut in die Nase stieg. War Ismail darunter? Ohne sich etwas
anmerken zu lassen, begann sie zu spielen.
    Sie
rief sich alles in Erinnerung, was sie über sie gelernt hatte. Sie waren schneller und stärker als Menschen. Sie brauchten
Blut, wenn auch nur in großen Zeitabständen, außer wenn sie sich körperlich
überanstrengt oder verletzt hatten. Sie konnten Gedanken lesen. Manche besser
als an dere.
    Diese
letztere Fähigkeit war es, die Violet am meisten Sorgen bereitete. Wenn Ismail
herausfand, was sie vorhat- te, bevor sie zum Zug kam, wäre ihre Mission
gescheitert. Man würde sie höchstwahrscheinlich töten.
    Violet
schüttelte die beunruhigenden Gedanken ab und konzentrierte sich ganz auf ihr
Geigenspiel. Gerüche und Geräusche traten in den Hintergrund. Ihre Finger
tanzten wie von selbst über die Saiten, sangen das Lied ihrer Trauer um ihren
Vater, wie jede Nacht unter dem großen Zirkuszelt.
    Vater,
warum durfte ich dich nicht kennen lernen? Warum konnte ich nie deine Hand
berühren? Dich nicht lächeln sehen? Warum

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