Unsterbliches Verlangen
auch damit nicht halten. Als Stanley kam und Peters Mutter älter wurde und zu uns zog, habe ich die Putzstelle aufgegeben, aber ich blieb Mitglied des Zirkels.«
Interessant, und die längste Rede, die sie je von Ida gehört hatte. Sogar Emily war sprachlos.
Aber nicht lange. »Also«, sagte sie, »sind Sie bereit, in unseren Zirkel einzutreten?«
»Noch nicht.« Emilys Kinn sank nach unten, und es dauerte einige Sekunden, bis sie den Mund wieder zukriegte. »Was heißt das?«
»Was ich gesagt habe. Ich bin mir nicht sicher.« Stimmte nicht ganz, da sie mit jeder Sekunde sicherer wurde. »Ich wollte mit Ihnen reden, um Sie kennenzulernen. Genau das habe ich Ida gesagt. Ich bin mir nicht sicher, ob ein organisierter Zirkel, noch dazu ein so alter wie der ihre, das Richtige für mich ist. Eigentlich will ich nur mit Gleichgesinnten in Kontakt treten.«
Emily gab einen Ton von sich, der wie »pffft!« klang. »Also alles nur eine Zeitverschwendung.«
»Ich hoffe nicht.« Jetzt bloß nicht die Nerven verlieren. »Danke für Ihren Besuch. Und, Ida, vielen Dank dafür, dass Sie Emily mitgebracht haben. Hab mich gefreut, Sie kennenzulernen.«
»Haben Sie die Bücher von den alten Damen?«
Emilys Frage löste bei Elizabeth höchste Alarmbereitschaft aus. »Ihre Bücher?«
»Zu Ida haben Sie gesagt, Sie hätten sie. Zauberbücher, handschriftliche Aufzeichnungen, Rezeptbücher. Sie wissen genau, wovon ich spreche.«
Wusste sie sehr wohl. »Ich habe Ida erzählt, dass ich sie gesehen habe. Dixie hat sie mitgenommen, als sie das Haus verlassen hat.« Zumindest die meisten.
Emily schüttelte den Kopf. »Was wir damit nicht alles hätten zuwege bringen können!«
Welches Unheil, zweifelsohne. »Hätten Sie vielleicht gern Dixies Adresse und Telefonnummer, um sie zu fragen?«
Emily schüttelte den Kopf. »Nein, danke.« Und stand auf. »Ich gehe.«
Elizabeth ergriff Idas Hand und half ihr beim Aufstehen. »Danke«, sagte Ida und strich ihren geblümten Rock glatt. »Sie sind ein gutes Mädchen.« Sie senkte die Stimme. »Hätten Sie nur auf mich gehört. Aber es musste ja sein.«
Stimmt. »Danke.« Eigentlich wollte sie nun mit den beiden durch das Tor in Richtung Haus gehen, da sie annahm, sie parkten in der Einfahrt, stattdessen jedoch steuerte Emily auf das hintere Ende des Gartens zu, und Elizabeth und Ida folgten ihr. Hatte Emily vor, an einer der leeren Nischen oder einem Altar stille Zwiesprache zu halten? Weder noch. Sie ging schnurstracks auf die Eiche zu. Beim Näherkommen bemerkte Elizabeth, dass das, was sie für eine Stützvorrichtung gehalten hatte, eine mit Efeu und Wein überrankte Verlängerung der Mauer war. Der Weg war hier vollständig überwachsen, führte aber um die Mauer herum zu einer weiteren Tür.
Wie konnte sie das übersehen haben? Wusste allein die Göttin, aber über Pflanzen geklettert, um die Mauern zu inspizieren, war sie nicht. Die Tür führte auf einen schmalen Streifen Land, an dessen Ende die Straße verlief.
So waren sie also in den Garten gelangt, ohne dass Dixie sie bemerkt hatte. Wie viele Türen gab es womöglich noch? Das würde sie überprüfen, oder noch besser, sie würde es von Tom überprüfen lassen. Mit seinen Adler- beziehungsweise Eulenaugen würde ihm nichts entgehen.
Als sie in den Garten zurückkam, segelte eine dunkelbraune Gestalt mit ausgebreiteten Flügeln über die Mauer in Richtung Haus.
Sie würde ihn bald sehen. Und mit Sicherheit würde er sagen: »Ich hab dich gewarnt.«
12
Ghule waren in punkto Schnelligkeit nicht gerade Schnecken. Elizabeth rannte in Windeseile über den Rasen und durch den verwunschenen Küchengarten ins Haus, aber Vampire hatten in dieser Hinsicht doch die Nase vorn. Als sie den Hintereingang erreichte, wurde sie bereits von Tom, vollständig angezogen und mit einem seltsamen Glimmern in den Augen, erwartet.
»Zufrieden?«, fragte er.
Wirklich nicht! »Das war eines der seltsamsten Gespräche, das ich je gehabt habe.«
»Willst du darüber reden, während ich mir ein paar Konserven zu Gemüte führe?«
Nach der Verwandlung musste er sich natürlich stärken. »Gerne.« Auch wenn es nicht allzu viel zu sagen gab. Sie wartete, während er die enge Treppe hinaufdüste und nach kurzer Zeit wiederkam mit zwei leeren Blutbeuteln in der Hand. »Wie entsorgt ihr denn so was?«
»In Zeitungspapier einschlagen und dann ab in die Müllpresse.« Sie wies mit dem Kopf auf die glänzende Apparatur hinten in der Ecke. »Antonia hat
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