Unsterbliches Verlangen
wollenden Minuten, in denen Justin sich voranarbeitete und immer tiefer grub, ließ er die blutige Kugel auf ein gefaltetes Handtuch fallen. »Geschafft. Jetzt müssen wir ihn nur noch säubern und hoffen, dass es verheilt.« Er beseitigte die gröbsten Blutspuren und stutzte die ausgefransten Ränder der Wunde vorsichtig zurecht. »Du hast Nadel und Faden vergessen, Antonia. Glaubst du, du findest was? Wenn nicht, hoffen wir das Beste, aber ich würde die Wunde gern verschließen.«
Nach ein paar Minuten kam sie mit einer Handvoll kleiner Papierklemmen zurück. »Ginge das auch? Keine Spur von Nadel und Faden, er muss seine Sachen wegwerfen, wenn mal ein Knopf abgeht.«
»Allemal besser als nichts.« Er tauchte sie in die Sterilisierlösung, drückte die Ränder der Wunde vorsichtig zusammen und fixierte sie mit der Klemme.
»Kann ich sonst noch was tun?«
»Gib ihm etwas Wasser, nur ganz wenig. Er darf sich nicht verschlucken.« Er deckte die Wunde mit einem Tuch ab, das er mit den abgerissenen Streifen eines Lakens sicherte. Wirklich ein Provisorium, aber er hatte in seinem Leben schon schlimmere Verbände gesehen.
Antonia brachte eine Schale Wasser ans Bett. »Das ist für dich, Michael. Nicht zu schnell.« Als hätte er verstanden, schlabberte er vorsichtig, um schließlich den Kopf wieder aufs Bett zu legen und die Augen zu schließen. Er schien zu schlafen, oder vielleicht ruhte er.
Entweder es hatte funktioniert, oder nicht. Zumindest hatte er ihm nicht geschadet. Die Kugel war draußen, und er blutete nicht mehr. »Jetzt heißt es abwarten, Antonia. Wir können abwechselnd Krankenwache halten. Geh doch und mach dich ein bisschen sauber. Deine Kleider sind voller Blut.«
Sie sah auf ihre Bluse und die Hose herunter, beides blutbefleckt. »Du hast recht. Ich werde mir was von Michaels Sachen borgen müssen, aber er hat sicher nichts dagegen. Und auch du, da wir schon dabei sind, brauchst dringend was zum Anziehen.«
Stimmte schon, aber … »Ich verwandle mich zurück und fliege nach Hause. Ich durchwühle ungern fremde Schränke.«
»Unter den Umständen hätte Michael sicher nichts dagegen, aber mach, wie du willst.«
Sie warf einen Blick in mehrere Schubladen und verließ den Raum, nachdem sie gefunden hatte, was sie brauchte. Nach kurzer Zeit waren nur noch das Plätschern der Dusche und Michaels etwas gleichmäßigerer Atem zu hören. Justin deckte ihn zu und packte die blutigen Handtücher und die provisorischen medizinischen Gerätschaften zusammen und ging in die Küche. Seine Hände und Arme waren voller Blut, aber nachdem er sie sich im Küchenbecken gewaschen hatte, war auch das erledigt. Er trocknete sich die Arme und das Gesicht mit einem Geschirrtuch ab, und ging dann wieder zurück, um nach seinem Patienten zu sehen.
»Wer zum Teufel sind Sie denn?«, fragte der blonde Mann neben dem Bett. Der nackte blonde Mann mit einem provisorischen Verband auf der Schulter. Die Fixierbinde spannte. Eben noch locker und bequem, schnitt sie ihm nun ins Fleisch.
»Ich bin Dr. Justin Corvus, ein alter Freund von Antonia, und ich glaube, ich muss Ihren Verband neu anpassen.«
»Lassen Sie das! Was machen Sie hier? Noch dazu splitternackt? Und wo ist Antonia?«
»Unter der Dusche. Sie hat einiges von Ihrem Blut abbekommen und war selbst auch verletzt.« Was mittlerweile verheilt sein dürfte.
Er sackte schwer aufs Bett. »Was ist passiert?«
Justin nahm am anderen Ende des Betts Platz. »Woran erinnern Sie sich denn?«
Er hörte ihm nicht zu. »Sie haben gesagt, Antonia wurde verletzt? Wann?« Er stand wieder auf, ein wenig wackelig, aber entschlossen. »Antonia!« Er rannte aus dem Zimmer, wobei er sich an der Tür abstützen musste, schaffte es aber ins Bad. »Was ist passiert? Und ist alles in Ordnung mit dir?«
Antonia schien zunächst gereizt ob der Störung, klang aber dann sofort eindeutig erfreut. Zwei Minuten später kamen die beiden gemeinsam zurück, Michael mit nassen Haaren und Antonia mit einigen zusammengeknüllten Handtüchern im Arm. »Ich hab dir doch gesagt, dass es mir gut geht! Außerdem hast du’s selbst gesehen!« Immer noch gereizt. »Ich will mich jetzt abtrocknen und mir was anziehen.«
»Gute Idee«, sagte Justin. »Viel zu viele Nackte hier. Immerhin sind wir in Surrey.«
Fand keiner lustig. »Spar dir deine Sprüche, Justin«, sagte Antonia nicht gerade freundlich. Ihre Blicke waren entsprechend, und sie schien bereit, niemanden zu verschonen. Michael war der
Weitere Kostenlose Bücher