Unten Am Fluss - Watership Down
war jetzt weniger böse auf Bigwig – er konnte seine Gefühle verstehen. Warten war schlimm. Er brannte auf eine Möglichkeit, zu handeln. Gerade als er beschlossen hatte, nicht mehr länger zu warten, sondern alle zu versammeln und sofort weiterzuziehen, kam Kehaar aus der Richtung des Einschnitts angeflogen. Er flatterte schwerfällig unter die Tannen herunter, brachte die Fledermäuse zum Schweigen.
»Miiister Hazel, is' keine Kaninchen. Ich glaube, vielleicht die haben nicht gern, über den Eisenweg herüberzugehen.« »Gut. Ist es weit zum Fluß, Kehaar?«
»Ne, ne. Is' nahe, in Gehölz.«
»Großartig. Können wir diesen Übergang bei Tageslicht finden?«
»Ya, ya. Ich zeige dir Brücke.«
Die Kaninchen waren erst eine kurze Strecke durch das Gehölz gegangen, als sie merkten, daß sie sich schon in der Nähe des Flusses befanden. Der Boden wurde weich und feucht. Sie konnten Riedgras und Wasser riechen. Plötzlich hallte der scharfe, nachschwingende Schrei eines Moorhuhns durch die Bäume wider, als wäre er in der Ferne von hartem Boden zurückgeworfen worden. Ein bißchen weiter weg konnten sie deutlich das Wasser hören – das leise, dauernde Strömen eines nicht sehr tiefen Falles. Ein Mensch, der aus der Entfernung die Geräusche einer Menge hört, kann sich etwa eine Vorstellung von ihrer Größe machen. Das Geräusch des Flusses sagte den Kaninchen, daß er der größte war, den sie jemals gesehen hatten – breit, ruhig und schnell. Sie hielten zwischen der Schwarzwurz und den Holunderbüschen inne und starrten einander Beruhigung suchend an. Dann begannen sie zögernd, in offeneres Gelände zu watscheln. Es war immer noch kein Fluß zu sehen, aber vorn konnten sie ein Flimmern und Tanzen von Licht bemerken, das sich in der Luft spiegelte. Bald danach befand sich Hazel, der mit Fiver voraushinkte, auf einem schmalen grünen Pfad, der die Wildnis von der Flußböschung trennte.
Der Pfad war beinahe so weich wie ein Rasen und frei von Büschen und Unkraut, denn er wurde für Fischer gemäht. Auf seiner anderen Seite wuchsen die Uferpflanzen sehr dicht, so daß er von dem Fluß durch eine Art Hecke aus purpurrotem Gemeinem Pfennigkraut, Antonskraut, Flohkraut, Geigwurz und Ackermennig, hier und da schon in Blüte, getrennt war.
Drei weitere Kaninchen tauchten aus dem Gehölz auf. Durch die Pflanzengruppen spähend, konnten sie einen Blick auf den ruhigen, blitzenden Fluß erhaschen, der offenbar viel breiter und schneller als der Enborne war. Obgleich kein Feind und keine andere Gefahr zu bemerken waren, verspürten sie die Besorgnis und den Zweifel derjenigen, die unversehens einen ehrfurchtgebietenden Ort betreten, wo sie selbst armselige Burschen ohne Bedeutung sind. Als vor siebenhundert Jahren Marco Polo endlich nach China kam, fühlte er nicht – und hat sein Herz nicht gestockt, als er sich darüber klar wurde –, daß die große und herrliche Hauptstadt dieses Reiches schon die ganzen Jahre seines Lebens und viel länger existiert hatte, ohne daß er etwas davon gewußt hatte? Daß es nichts von ihm, von Venedig, von Europa brauchte? Daß es voller Wunder war, die über seinen Verstand gingen? Daß seine Ankunft völlig unwichtig war? Wir wissen, daß er dies alles fühlte, und ähnlich hat manch Reisender in fremden Landen empfunden, der nicht wußte, was er finden würde. Es gibt nichts, was einen so sehr auf die normale Größe reduziert, wie an einen fremden und wunderbaren Ort zu kommen, wo niemand innehält, um zu bemerken, daß man sich umschaut. Die Kaninchen waren unruhig und verwirrt. Sie duckten sich ins Gras, schnupperten die Gerüche des Wassers in der kühlenden Sonnenuntergangsluft und schlossen sich dichter zusammen; jedes hoffte, die Nervosität, die es empfand, nicht auch bei den anderen zu bemerken. Als Pipkin den Pfad erreichte, erschien eine große schimmernde Libelle, zehn Zentimeter lang, smaragdgrün und schwarz, an seiner Schulter, schwebte dröhnend und bewegungslos und war dann wie ein Blitz im Riedgras verschwunden. Pipkin sprang vor Bestürzung zurück. Sogleich ertönte ein schriller, bebender Schrei, und er erblickte durch die Pflanzen hindurch einen prächtigen azurblauen Vogel, der über das offene Wasser flitzte. Einige Augenblicke später war dicht hinter der Pflanzenhecke das Geräusch eines ziemlich starken Klatschens zu vernehmen – aber welches Geschöpf es hervorgebracht haben konnte, ließ sich nicht sagen.
Sich nach Hazel umblickend, bekam
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