Unten Am Fluss - Watership Down
Lücke öffnete sich, wo er gegraben hatte. Die Wand reichte nicht mehr bis zum Dach. Es war nur ein breiter Haufen weicher Erde, der den Lauf halb füllte. Woundwort, der immer noch still wartete, konnte eine beträchtliche Anzahl Kaninchen am anderen Ende riechen und hören. Er hoffte, daß sie jetzt in den offenen Bau kommen und ihn angreifen würden. Aber sie rührten sich nicht.
Wenn es ums Kämpfen ging, war Woundwort nicht in der Lage, überlegt zu handeln. Menschen und größere Tiere, zum Beispiel Wölfe, haben gewöhnlich eine Vorstellung von ihrer eigenen Zahl und von der des Feindes, und dies wirkt sich auf ihre Kampfbereitschaft und auf ihre Taktik aus. Woundwort hatte nie so zu denken brauchen. Was er aus seiner ganzen Kampferfahrung gelernt hatte, war, daß es beinahe immer welche gibt, die kämpfen wollen, und andere, die nicht wollen, aber fühlen, daß sie's nicht vermeiden können. Mehr als einmal hatte er allein gekämpft und seinen Willen Massen von anderen Kaninchen aufgezwungen. Er tyrannisierte ein großes Gehege mit einer Handvoll ergebener Offiziere. Es kam ihm gar nicht in den Sinn – und wenn es ihm in den Sinn gekommen wäre, hätte er es nicht für ausschlaggebend gehalten –, daß die meisten seiner Kaninchen noch draußen waren, daß die, die bei ihm waren, weniger waren als die auf der anderen Seite der Wand und daß sie, bis Groundsel die Läufe geöffnet hatte, nicht hinauskommen konnten, selbst wenn sie wollten. Solche Dinge zählen nicht unter Kampfkaninchen. Wildheit und Angriffslust sind alles. Woundwort wußte, daß die hinter der Wand ihn fürchteten und daß er schon aus diesem Grunde im Vorteil war.
»Groundsel«, sagte er, »sobald du diese Läufe aufbekommen hast, sage Campion, er soll alle hier herunterschicken. Der Rest von euch folgt mir. Wir werden das erledigt haben, bis die anderen zu uns hereinkommen.«
Woundwort wartete nur, bis Groundsel die beiden Kaninchen zurückbrachte, die ausgeschickt worden waren, unter den Baumwurzeln am nördlichen Ende des Baus zu suchen. Dann kletterte er, Vervain hinter sich, den zusammengefallenen Erdhaufen hinauf und stieß in den engen Lauf vor. Er konnte das Rascheln und Zusammendrängen von Kaninchen, von Rammlern und Weibchen, im Dunkel vor ihm hören und riechen. Direkt vor ihm waren zwei Rammler, aber sie zogen sich zurück, als er sich den Weg durch den lockeren Boden bahnte. Er stürzte vor und fühlte, wie sich der Boden unter ihm plötzlich hob. Im nächsten Augenblick sprang ein Kaninchen aus der Erde zu seinen Füßen auf und grub seine Zähne in das Gelenk seines linken Vorderlaufs. Woundwort hatte fast jeden Kampf in seinem Leben durch den Einsatz seines Körpergewichts gewonnen. Andere Kaninchen konnten ihm nicht standhalten, und wenn sie einmal unten waren, kamen sie selten wieder hoch. Er versuchte jetzt zu stoßen, aber seine Hinterläufe konnten in dem Haufen lockerer, nachgebender Erde keinen Halt finden. Er bäumte sich auf, und dabei merkte er, daß der Feind unter ihm in einer ausgehobenen Grube von der Größe seines eigenen Körpers kauerte. Er schlug aus und fühlte, wie sich seine Klauen tief in Rücken und Keule gruben. Dann stieß sich das andere Kaninchen, das immer noch seine Zähne in Woundworts Schulter hatte, mit seinen auf den Boden des Grabens gestützten Hinterläufen ab. Woundwort, dessen Vorderläufe sich vom Boden hoben, wurde rücklings auf den Erdhaufen geworfen. Er schlug aus, aber der Feind hatte sich schon von ihm gelöst und befand sich außerhalb seiner Reichweite.
Woundwort stand auf. Er konnte das Blut an der Innenseite seines linken Vorderlaufes rinnen fühlen. Der Muskel war verwundet. Er konnte sein volles Gewicht nicht mehr darauf stützen. Aber auch seine eigenen Klauen waren blutig, und dieses Blut war nicht sein eigenes.
»Alles in Ordnung, Sir?« fragte Vervain hinter ihm.
»Natürlich, du Dummkopf«, sagte Woundwort. »Folge mir dicht auf.«
Das andere Kaninchen vor ihm sprach: »Ihr sagtet mir einst, ich solle Euch beeindrucken, General. Hoffentlich ist es mir gelungen.«
»Ich sagte dir einst, daß ich dich persönlich töten würde«, erwiderte Woundwort. »Jetzt ist kein weißer Vogel hier, Thlayli.« Er ging das zweite Mal vor.
Bigwigs Hohn war wohlüberlegt. Er hoffte, daß Woundwort sich auf ihn stürzen und ihm eine Chance geben würde, ihn wieder zu beißen. Aber als er, an den Boden gedrückt, wartete, merkte er, daß Woundwort zu klug war, sich anlocken
Weitere Kostenlose Bücher