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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Limmer
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Salz für einen übergewichtigen Mann wie ihn absolut schädlich sei. Tausendmal war er ignoriert worden. Allmählich glaubte er an Vorsatz. Besonders als Erwin so süffisant grinste und die Schultern bedauernd hob. Dieser Volldepp. Der wollte doch nur, dass er an Bluthochdruck verreckte. Aber nicht mit ihm, nicht so. Er schmiss Erwin die Breze zu, der sie reaktionsschnell auffing. Dabei rutschten die beiden Hälften auseinander, und die Butter verteilte sich schön auf seiner Uniformjacke. Sofort hob sich Schorschs Stimmung. Selbst die quäkende Stimme im Ohr schien kurzzeitig nur mehr halb so nervtötend.
    Gisela hatte für diese Kindereien ihrer Mitarbeiter schon lange kein Auge mehr. Sie hatte sich daran gewöhnt, dass die drei Männer große Kinder in Uniform waren. Statt auf Erziehung setzte sie auf Gelassenheit und die Zuversicht, dass sich alles von allein regelte. Nur wenn es richtigen Streit gab und es handgreiflich zu werden drohte, griff Gisela mit ihrer resoluten Art ein. Wobei es gerade bei Richies berüchtigten Ausrastern schon mal sein konnte, dass er mit Pfefferspray ausgeschaltet und in Handschellen gelegt werden musste. Heute aber saß Richie in einer Ecke, schlürfte Kaffee und war in seine eigene Welt versunken. Keine Gefahr. Gisela konnte sich ganz der E-Mail widmen, die von Lederer gekommen war. Hochkonzentriert las sie jeden Satz der angehängten Berichte vom rechtsmedizinischen Institut und dem kriminaltechnischen Labor. Das Ausmaß der Gewalt war für sie unvorstellbar, so etwas hatte es in ihrem Leben bisher nicht gegeben. Darüber las man sonst nur in der Zeitung. Plötzlich war diese Brutalität ganz nah, und Gisela spürte eine neue Qualität des Alltags wie einen Splitter unter der Haut, an den man nicht rankam. Entweder man ignorierte ihn und hoffte, dass die Wunde nicht zu eitern anfing, oder man versuchte, ihn zu entfernen, auch wenn es weh tat.
    Gisela war nicht die Frau, die abwartete. Sie wollte wissen, was passiert war und wer für den Tod des Mädchens verantwortlich war. Auch wenn die Mordkommission Straubing die Ermittlungen leitete und der Dienststelle Niedernussdorf nur unterstützende Funktion zukam, entschied sich Gisela, ihre eigenen Ermittlungen anzustellen. Mordkommission hin, Lederer her, das waren ihr Dorf, ihr Wald, ihre Leute.
    »Weiß jemand von euch, ob hier in der Nähe Rumänen wohnen?«
    Die drei Männer schauten zu Gisela, schüttelten gleichzeitig die Köpfe.
    »Aber das kriegen wir raus, oder?«, setzte sie hinzu. »Erwin, Einwohnermeldeamt. Richie, Sozialamt. Schorsch, Bahnhof Plattling.«
    Schorsch hielt entschuldigend den Telefonhörer hoch.
    »Wenn du fertig bist«, sagte Gisela.
    »Glaubst du, dass die Tote Rumänin ist?«
    »Ja, glaub ich.«
    »Ich hab bei uns in der Gegend noch nie einen Rumänen gesehen«, sagte Richie.
    »Du weißt ja auch ganz genau, wie so ein Rumäne ausschaut«, meinte Schorsch, eine Hand über der Sprechmuschel.
    Der müde Blick Richies traf ihn wie ein Gummigeschoss. »Wenn ich sag ›gesehen‹, dann mein ich nicht gesehen«, er deutete auf seine Augen. »Sondern dass man das weiß, wenn ein Rumäne in der Gegend lebt, weil das sind nämlich Exoten, und was Exotisches in Niedernussdorf fällt auf.«
    »Außer du heißt Schorsch Kramer«, sagte Erwin. »Dann wird’s schwierig.«
    Schorsch war aufgestanden und ließ seinen Zeigefinger an der Schläfe kreisen. »Seit der Schule hat sich bei dir auch nichts mehr getan, was?«
    Erwin baute sich ganz dicht vor Schorsch auf, seine Augen funkelten angriffslustig. Schorsch wich keinen Millimeter zurück, im Gegenteil, er neigte den Kopf vor, um dem etwas kleineren Erwin direkt in die Augen schauen zu können. Richie wartete gespannt auf die Explosion. Unwillkürlich hielt er den Atem an.
    Durch die plötzliche Stille aufgeschreckt, sah Gisela herüber und erblickte Erwin und Schorsch, die einander wie zwei Duellanten gegenüberstanden.
    »… aber ich sag’s Ihnen ganz ehrlich, die ganze Moral verkommt, wir haben doch gar keine Vorbilder mehr, weder die Eltern noch die Lehrer, ja, die Politiker schon gleich zweimal nicht, da ist doch einer verlogener wie der andere, nur damit sie auf ihrem Sessel sitzen bleiben können, und ich sprech da aus eigener Erfahrung, weil ich hab fünfzehn Jahre lang für so einen gearbeitet, den Namen sag ich jetzt aber ganz sicher nicht, auch wenn Sie noch so fragen …«
    »Mir wär’s ganz recht, wenn ihr euch jetzt an die Arbeit machen würdet«,

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