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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Limmer
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seine Worte mit Gebärdensprache, um sicherzustellen, dass der Engel ihn verstand. »Viel Namen, du auch Name Romanski.«
    »Also, jetzt versteh ich wirklich nichts mehr«, erwiderte der Engel und schaute Richie aus großen verwirrten Augen an.
    »Ah, du … Sie reden deutsch?«
    »Ich studiere in Bukarest. Deutsch und Geschichte.«
    »Deutsch und Bukarest.« Richie bemühte sich, woanders hinzusehen, aber diese Augen schienen sein Innerstes aufzusaugen. »Schön.«
    »Ich … ich brauche doch kein Visum, oder?«
    »Was?«
    Der Engel deutete auf den Pass. Richie folgte ihrem Finger.
    »Oh, nein, nein, natürlich nicht.«
    Er hielt ihr den Pass hin. Sie wollte ihn nehmen, aber Richie ließ nicht los. Sein Kopf war völlig leer, sämtliche körperlichen Funktionen hatten ausgesetzt. Nur das Herz schlug kräftig und schnell auf sein Trommelfell. Ihr fragender Blick löste seine Finger endlich. Der Engel steckte den Pass zurück in die Tasche.
    »Darf ich Sie bitten, mir eine Frage zu beantworten?«
    Der Engel zog den Reißverschluss zu. »Sie sind Polizist, Sie müssen nicht bitten.«
    »Was haben Sie da drin gewollt?« Richie deutete mit dem Daumen über seine Schulter zum Friseurgeschäft.
    Der Engel wich Richies Blick aus, saugte die perfekte Unterlippe zwischen die strahlend weißen Zähne ein. Richie verbog sich etwas, um ihr Gesicht zu sehen. Der Engel steckte die Hand erneut in die Handtasche und zog das Foto heraus. Richie nahm es. Darauf war ganz eindeutig Schneewittchen. Lachend, rote Bäckchen, glänzende Augen. Lebendig.
    »Das ist meine Schwester.«
     
    Lederer hatte sich nach dem Zwischenfall mit Köhler verabschiedet und war – vorgeblich – nach Straubing zurückgefahren. In Wahrheit suchte er das Krankenhaus auf, in das Köhler gebracht worden war, um seine Befragung fortzusetzen.
    Gisela kehrte zum Revier zurück. Schorsch saß wie betäubt auf einem Stuhl, Schweiß auf der Stirn, die Augen gerötet, den Telefonhörer festgeklebt am Ohr. Hilfesuchend streckte er Gisela den Hörer hin. Sie nahm ihn.
    »… wenn man sich anschaut, was im Osten passiert, also ich mein jetzt nicht China, sondern Sachsen-Anhalt, da wissen Sie gleich, wo wir hinsteuern …«
    »Gnädige Frau, Sie können gerne mit meinem Kollegen weiterplaudern, aber dann müssen wir Ihnen das als ungerechtfertigten Polizeieinsatz in Rechnung stellen. Das kann dann durchaus in den vierstelligen Eurobereich gehen.«
    Es klickte in der Leitung. Gisela gab Schorsch den Hörer zurück. »Du musst echt mal lernen, dich durchzusetzen.«
    Schorsch wand sich, legte den Hörer auf. »Ich weiß, aber dann denk ich mir, die hat wahrscheinlich niemanden sonst zum Reden.«
    »Dann soll sie zum Arzt gehen.«
    Erwin und Richie spazierten in Begleitung von Ionela herein. Die junge Rumänin war bleich, ihre Augen gerötet, ab und zu schniefte sie und wischte ihre Nase mit einem zerfetzten Papiertaschentuch sauber.
    Erwin wedelte mit den Namenslisten. »Auftrag erledigt. Und ein Lebendexemplar haben wir auch gleich mitgebracht.«
    »Red nicht so«, zischte Richie Erwin an. »Die Frau Andreikovitsch ist kein Viech.«
    »Andreikowitschi«, verbesserte Ionela ihren Verehrer.
    »Andreikowitschi«, schleuderte Richie Erwin entgegen.
    Erwin stöhnte nur kurz auf, drückte Gisela die Namenslisten in die Hand. »Frau Andreikowitschi«, schroffer Seitenblick zu Richie, »ist die Schwester von der Toten.«
    Er dackelte zum Kaffeeautomaten. Ionela kullerten dicke Tränen aus den Augen. Richie stützte sie, damit sie nicht zusammenbrach. Auf ein Kopfnicken Giselas hin führte er sie in ihr Büro. Er brachte Ionela eine Tasse Kaffee, schenkte ihr einen aufmunternden Blick und ließ die beiden Frauen alleine.
    Ionela hielt die Tasse mit beiden Händen umklammert, starrte geistesabwesend in die braune Brühe. Gisela setzte sich auf ihren Chefsessel, der dabei leise knarzte, als würde ein alter Mann ausatmen. Aus der obersten Schublade ihres Schreibtisches holte sie eine Packung Papiertaschentücher und schob sie Ionela hin. Die reagierte gar nicht.
    Gisela wartete, bis die junge Frau aus ihren Gedanken zurückkehrte und aufschaute. Ihre Unterlippe bebte leicht, sie schien etwas sagen zu wollen. Das Beben verstärkte sich, unterdrückte jedes Wort. Stattdessen holte sie das Foto aus ihrer Tasche, reichte es Gisela.
    »Wie heißt sie?«, fragte Gisela sanft.
    Ionela nahm eines der Papiertaschentücher, rotzte hinein. Die Unterlippe bebte wieder. »Danijela.« Ein

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