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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Limmer
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seinen Befund brauchte. Köhlers Mutter riet ihm, das im Krankenhaus zu machen, denn wenn ihrem Jungen etwas passierte, würde sie ihn und den Freistaat auf Körperverletzung und Schadensersatz in Millionenhöhe verklagen. Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, hatte sie jedem der Umstehenden eine Visitenkarte in die Hand gedrückt. Darauf stand ihr Name, Adresse und Telefonnummer, überstrahlt von dem goldenen Schriftzug
Rechtsanwältin emer.
Ergänzend erwähnte sie, dass sie im Gemeinderat tätig sei und dementsprechend Beziehungen nach ganz oben in München hatte. Mit der Frau war nicht zu spaßen.
    Mit Gisela allerdings auch nicht. Nachdem sich die Aufregung gelegt hatte und der Marktplatz von Niedernussdorf wieder zur Ruhe gekommen war, faltete die Polizeihauptmeisterin den Herrn Hauptkommissar zusammen. Um allzu große Öffentlichkeit zu vermeiden, zogen sich die beiden in Lederers Limousine zurück.
    »Was bilden Sie sich eigentlich ein, wer Sie sind, hm? Dieser arme Mann steht in seinem Laden, hofft wahrscheinlich, dass heute mehr Kundschaft kommt wie gestern, und dann latschen Sie ihm auf die Füße und verpassen ihm einen Schwinger, dass es ihn aus den Schuhen hebt. Sie sind wohl auf’m Schrottplatz aufgewachsen, was?«
    »Ich bin nun mal kein so sensibler und keimfreier Typ wie Sie. Wenn’s nach Ihnen ging, müssten wir alle Verdächtigen im Wollwaschgang waschen, aber das bringt einen nirgendwohin.«
    »Das war kein Verdächtiger, das war, wenn überhaupt, ein Zeuge. Kennen Sie das Wort überhaupt? Wissen Sie eigentlich, was das bedeutet?«
    »Jetzt werden Sie bloß nicht frech, natürlich weiß ich, was das bedeutet.«
    »Ich mein nicht das Wort Zeuge, ich mein, die Probleme, die Sie uns mit Ihrem Verhalten einfahren können. Diese Frau hat das ernst gemeint mit dem Verklagen, und wissen Sie, wer das ausbadet? Sie nicht, weil Sie sitzen in Straubing, und so eine kleine Anzeige wegen Körperverletzung, das juckt doch so eine dickfellige Sau wie Sie nicht, das versickert irgendwann, und dann geht das Leben bei der Mordkommission weiter wie bisher. Da ein bisschen rumschießen, dort einen Typen zusammenschlagen, geht halt ein bisschen rauher zu bei Ihnen. Aber ich, ich sitz hier in Niedernussdorf mit den ganzen Leuten«, sie deutete auf die Passanten, von denen einige neugierig in den Wagen glotzten. »Bei mir versickert gar nichts, ich renn denen jeden Tag übern Weg, und die vergessen so einen Vorfall nicht. Ich wette, die zerreißen sich jetzt schon das Maul.«
    »Na und? Haben Sie Angst, dass Sie beim Metzger länger anstehen müssen oder dass der Friseur Sie verschneidet? Wir sind Polizisten, es ist nicht unsere Aufgabe, beliebt zu sein. Wenn man uns mag, dann machen wir was falsch.«
    Gisela konnte nicht glauben, was sie da hörte.
    »Die Leute müssen Angst vor uns haben, nur so wirkt Abschreckung auf Dauer.«
    »Sie sind ja ein noch größerer Volldepp, wie ich gemeint hab.«
    »Das Leben ist kein Bibelkreis. Wer nach einem Schlag die andere Wange hinhält, muss damit rechnen, dass er ein paar Zähne verliert.«
    »Sie verlieren gleich ein paar, und da brauchen Sie mir gar nicht erst eine Wange hinhalten.«
    »Schön, aber ich muss Sie warnen, ich hab den schwarzen Gürtel im San Shou mit Schwerpunkt Nahkampf in engen Räumen, wie zum Beispiel einem Auto.«
    Lederers Handkanten schnellten hoch, ein schriller Adlerschrei kam aus seinem Mund. Eine Spur von Aggressivität blitzte in seinen Augen auf. Gisela stutzte kurz. Dann fing sie an zu lachen, ein Lachen so tief und herzhaft, wie sie es schon seit Monaten nicht mehr zuwege gebracht hatte. Seit vierzehn Monaten, um genau zu sein. Damals hatte sie ihr Dauerverlobter Ludwig anlässlich ihres fünfzigsten Geburtstages zu einem Tandemfallschirmsprung überredet. Er hatte eigentlich unten stehen und warten wollen, bis sie mit ihrem Flugbegleiter sicher gelandet war. Zu seinem Pech hatte Ludwig das Kleingedruckte auf dem Gutschein nicht gelesen. Darin hieß es, dass der Sprung für zwei Personen gelte. Ludwig hatte nicht im Traum daran gedacht, sich in viertausend Metern Höhe aus einer kleinen Sportmaschine zu stürzen, um mit über zweihundert Stundenkilometern der Erde entgegenzurasen. Aber genau das hatte Gisela mit schmollender Miene von ihm verlangt, sonst sei ihr Geburtstag kein richtiger Geburtstag. Ludwig hatte die gesamten fünf Minuten im freien Fall wie am Spieß geschrien und gebetet, was bei Gisela zu einem hysterischen Lachanfall

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