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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Limmer
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geführt hatte, verstärkt durch das von dem Sprung ausgelöste Hochgefühl.
    Und jetzt dieser präpotente Hauptkommissar mit seiner Ninjapose! Gisela schüttelte sich vor Lachen, die Tränen kullerten ihr über die Wangen. Lederer ließ konsterniert die Handkanten sinken. Mühsam beruhigte sich Gisela, trotzdem konnte sie ein Glucksen nicht verhindern.
    »Ich … ich hab jetzt echt grad Angst gehabt«, sagte sie. Und prustete gleich wieder los, so sehr, dass sie aus dem Auto flüchten musste.
    Zur selben Zeit waren Erwin und Richie auf der Rückfahrt von Straubing, im Gepäck zwei Listen mit rumänischen Namen. Richie versuchte sich an der Aussprache, als er eine wiegende Bewegung aus dem Augenwinkel wahrnahm. Er schaute auf. Auf dem Bürgersteig schwebte ein Engel, anders konnte man die junge Frau nicht bezeichnen, die auf den einzigen Friseursalon Niedernussdorfs zusteuerte. Ihr Haar blond, lang und wallend, ihre Figur zart und ätherisch, ihr Gesicht blass und voll unendlicher Melancholie. Alles an ihr schrie: ›Beschütze mich!‹
    »Halt mal an.«
    Erwin war überrascht. »Wieso?«
    Richies Kopf war um fast hundertachtzig Grad gedreht, um den Engel nicht aus den Augen zu lassen.
    »Hast du’s nicht gehört? Sie hat gerufen: ›Beschütze mich!‹«
    Im Seitenspiegel erhaschte Erwin einen kurzen Blick auf den Engel, bevor der in dem Friseursalon verschwand.
    »Und das hast du gehört?«
    »Jetzt bleib schon stehen.«
    Der Streifenwagen stand noch nicht, als Richie bereits raussprang.
    Im Friseursalon empfing Richie eine Duftmischung aus Haarfestiger, Bleichmittel und Kaffee. Zwei ältere Damen, die Richie nur flüchtig kannte, sahen ihm über die Spiegel entgegen, als ihn die Glöckchen an der Tür ankündigten. Lilli, die korpulente und schrill gekleidete Besitzerin des kleinen Geschäfts, besah sich ein Foto, das ihr offensichtlich von dem Engel gegeben worden war. Der Engel stand mit gespannter Miene vor Lilli und wartete auf eine Antwort. Die Friseuse schüttelte ihre pinkfarbene Punkmähne und reichte dem Engel das Foto. »Nein, kenn ich nicht.« Daraufhin wandte Lilli sich Richie zu. »Na, was ist denn mit dir? Hast dich verlaufen? Ich denk, du schneidest dir deine Haare selber?«
    »Danke schön«, wisperte der Engel Richtung Lilli und wandte sich einer der Damen unter der Trockenhaube zu. Sie zeigte ihr das Foto.
    »Ich wollt bloß mal reinschauen, fragen, wie’s so geht.« Sein Blick klebte an dem Engel.
    »Hä?«
    Die Dame unter der Trockenhaube schüttelte den Kopf. Der Engel drehte sich zur anderen Dame, dabei streifte ihr Blick Richie.
    »Ähm, nah am Bürger, das … das ist unser Motto«, brachte Richie kurzatmig hervor. »Ihr sollt euch sicher fühlen, wir sind da, um euch zu beschützen.«
    Lilli runzelte die Stirn über Richies sinnloses Gestottere. Der ließ den Engel nicht aus den Augen. »Und wenn einer von euch Hilfe braucht, muss er nur ›Beschütz mich‹ rufen, und ich komme.«
    Auch die zweite Dame schüttelte den Kopf. Der Engel bedankte sich fast lautlos und schwebte aus dem Friseurgeschäft.
    »Du, jetzt, wo du’s sagst«, setzte Lilli an, »da ist tatsächlich was, das mich ein bisschen beunruhigt …«
    »Ja, schön, also dann, bis zum nächsten Mal.«
    Richie folgte dem Engel, ohne sich zu verabschieden. Lilli war verärgert. »Von wegen, nah am Bürger.«
    Dafür war Richie vor dem Geschäft nah an dem Engel.
    »Verzeihung.« Der Engel drehte sich zu Richie um. Die Augen dunkelbraun, eine volle Oberlippe, in der Nackenpartie ein centgroßes Muttermal.
    »Personenkontrolle«, hauchte Richie. Diese Frau nahm ihm den Atem. Sie zog den Reißverschluss ihres kleinen Täschchens auf, das sie quer über der Schulter trug. Mit zittrigen Fingern holte sie einen Pass heraus. Richie blätterte ihn auf, der Engel hielt den Kopf gesenkt, starrte auf die Schuhspitzen ihrer abgetragenen Ballerinas.
    »Ah, Sie sind Rumänin. Frau Ionela Andrei…ko…vi…ci.«
    »Andreikowitschi«, verbesserte sie seine Aussprache, ohne aufzusehen.
    »Äh, ja, Frau Andrei…ko…vi…tschi, ich … also, wir, ich und mein Kollege«, er nickte zum Streifenwagen, wo Erwin hinter dem Lenkrad saß und herüberblickte, »wir sammeln gerade Rumänen ein, also, Namen von Rumänen, die zwar aus Rumänien sind, aber hier herum wohnen, verstehen Sie überhaupt, was ich sage?«
    Der Engel schüttelte den Kopf. Richie holte tief Luft.
    »Ich und Kollego, wir suchen Rumänen, Romanski, von hier.« Er unterstützte

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