Unter aller Sau
eines Adlers, die schmalen Lippen bewegten sich beim Reden kaum. All das war bedrohlich, wirklich erschreckend war jedoch das kaputte Auge, dessen Geschwulst sich zu regen schien, während das gesunde Gisela mit einer Schärfe anblitzte, als wollte es ihr die Kehle aufschlitzen. Bei den nächsten Worten vermeinte Gisela sogar, lange, spitze Fangzähne aufblitzen zu sehen.
»Kehren Sie um, bevor Sie in das dunkle Tal schreiten und dort verlorengehen.«
Gisela verdrängte die Angst vor diesem Mann und zwang sich, dem Blick standzuhalten.
»An Ihnen ist ein Priester verlorengegangen. Vielleicht sollten Sie Ihre Berufswahl überdenken.«
Gisela spürte Vlads Fangzähne schon an ihrem Hals, denn der Rumäne beugte sich nach vorne. Seine Nasenflügel blähten sich, als wollte er Giselas Geruch aufnehmen. Schließlich drehte er sich um und verließ grußlos das Büro. Kein Blick zu seinem Sohn, der sich daran nicht im Geringsten zu stören schien. Ganz im Gegenteil, er wirkte ruhiger und selbstgefälliger als zuvor. Er vertraute darauf, dass den Worten seines Vaters Taten folgen würden.
Erwin lugte durch die offene Tür herein.
»Bin wieder da.«
»Der Richie auch?«
»Ja.«
»Gut. Ihr zwei bringt’s den Herrn hier nach Straubing zum Lederer.« Sie reichte Erwin die Aussage Ionels. »Der Schorsch fährt mit, der soll seine Aussage direkt vor Ort abgeben.«
Erwin schaute erst auf Ionel, dann zu Schorsch. Er wandte sich an Gisela.
»Sollen die auseinander sitzen?«
»Wär vielleicht besser, ja.«
Erwin nickte zufrieden, bedeutete Ionel aufzustehen.
»Pack mas.«
Gisela begleitete ihre drei Männer zum Streifenwagen. Ionel der bereits Handschellen verpasst bekommen hatte, ließ es wiederstandslos über sich ergehen. Kaum war der Streifenwagen um die Ecke verschwunden, trat Ionela aus ihrem Versteck. Sie hatte neben dem Gebäude den Abtransport Ionels beobachtet. Hinter ihr tauchte Jakob auf.
»Mei, Papa, was machst denn du da?«
»Ich pass auf die Ionela auf.« Seine Stimme und sein Blick zeigten, dass er einen seiner klaren Momente hatte. Ionela und Jakob traten näher.
»Hat er gestanden?« Ionela war voller Bangen und Hoffen.
Gisela schüttelte den Kopf.
»Noch nicht. Aber zumindest hat der Lederer ihn schon mal, und so wie ich den kenne, verbeißt sich der in seine Wadln.«
Zunächst war Lederer verwirrt und verwundert, als die Truppe aus Niedernussdorf mit dem Rumänen in sein Büro platzte. Bis auf Richie sahen alle drei aus, als kämen sie direkt von einer Wirtshausschlägerei. Schorsch hatte vergessen, seine Nasentamponade zu entfernen. Seine Kollegen hatten ihn nicht darauf aufmerksam gemacht, für sie war es ein Spaß, den Dicken damit rumlaufen zu sehen.
Lederer war in dieser Sache absolut humorfrei. Er quittierte den Empfang Ionels, ließ Schorschs Aussage zu Protokoll nehmen und war froh, das Dummtrio wieder los zu sein. Mit größtmöglicher Akribie bereitete er sich auf die Vernehmung des Rumänen vor. Das höchste Glücksgefühl wäre, wenn er seinen Gegner zu einem Fehler oder gar einem Geständnis bewegen könnte. Das würde ihm eine Kerbe mehr im Kampf gegen das Verbrechen einbringen.
Ein Powerschläfchen, zwei Vitamintrünke und drei Guaranabonbons später saß Lederer Ionel in seinem nüchtern eingerichteten Büro gegenüber. Alles war aus Aluminium, Stahl und Blech, eine antiseptische Ausstattung, die Lederer das Gefühl gab, ein Chirurg zu sein, der der Gesellschaft ein Karzinom mit Präzision herausschnitt. Das Karzinom, das im Augenblick vor ihm saß, gab leider kein Wort von sich, egal, welche Strategie der Hauptkommissar anwandte.
Die Verärgerung, die in Lederer köchelte, wurde zur brodelnden Suppe, als ein smarter Strafverteidiger im Büro auftauchte und die Zügel in die Hand nahm. Der Schnösel, der bestimmt fünf Jahre jünger als Lederer war, machte deutlich, dass es keinerlei Handhabe gebe, Ionel über Nacht dazubehalten. Auch wenn Danijela in dem Etablissement gearbeitet hatte, das Ionel und sein Vater führten, war das noch lange kein Beweis, dass er mit dem Mord an der jungen Frau etwas zu tun hatte. Auch das Branding des Namens konnte man durchaus als Liebesbeweis interpretieren, wenn man nicht gerade versuchen musste, der Staatsanwaltschaft einen unschuldigen Mann als Täter zu präsentieren. In der Schlägerei hingegen habe Ionel seine Aussage gemacht, er gestehe seinen Fehler ein, der allerdings aufgrund der illegalen Vorgehensweise der Niedernussdorfer
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