Unter aller Sau
den lilablauen Knutschfleck an seinem Hals. Süße Erinnerungen an die vergangene Nacht.
Ionela schlief immer noch, als Richie ins Schlafzimmer zurückkam. Leise rutschte er hinter sie und küsste ihre Schulter. Keine Reaktion. Richie küsste sie noch einmal, stutzte. Sie atmete nicht. Richie rüttelte sie sanft an der Schulter.
»Ionela?«
Er drehte sie auf den Rücken, ihre Augen blieben geschlossen, ihr Gesicht war grau wie ein Herbsttag. Richie war zu keiner Bewegung fähig. Sein Gehirn war von der Situation überfordert und konnte keinerlei Befehle an irgendeine Stelle im Körper schicken. Es dauerte Minuten, bis sich diese Blockade wie zäher Schleim auflöste.
Er rief Gisela an. Zehn Minuten später war sie in Richies Wohnung und besah sich die tote Rumänin. Nirgends waren Spuren zu sehen, die auf einen unnatürlichen Tod schließen ließen. Trotzdem hatte Gisela das Gefühl, dass eine Kraft von außen der jungen Frau das Leben geraubt hatte.
»Hat sie über irgendwas geklagt, bevor sie eingeschlafen ist?«
Richie lehnte geschwächt an der Wand, immer noch in Unterwäsche. Er schüttelte den Kopf.
»Kann es sein, dass jemand in der Wohnung war?«
»Wie denn?« Die Worte sickerten aus Richies Mund. Sein Blick hing an Ionela, die friedlich zu schlafen schien.
»Ihr sperrt unten doch nicht ab, oder?«
»Nein.«
»Und deine Wohnungstür auch nicht?«
»Nein.«
»Also könnte jemand, der geübt ist, durchaus hier reingekommen sein.«
»Das hätt ich doch gemerkt.«
»Wenn du schläfst, dann schläfst du, das weißt du doch.«
Richie seufzte. Er war einmal während einer Verkehrskontrolle im Streifenwagen eingeschlafen und nicht einmal aufgewacht, als es direkt vor ihm einen Auffahrunfall gegeben hatte.
»Wieso glaubst du, dass sie nicht einfach … eingeschlafen ist?«
Gisela zögerte lange mit einer Antwort. Sollte sie Richie von Vlads Drohung erzählen? Hatte er sie nicht gewarnt, sich mit ihm anzulegen? Wenn Ionelas Tod eine Warnung war, müsste Vlad einen Hinweis hinterlassen haben. An dem Mädchen hatte Gisela nichts entdeckt. Sie schaute sich in dem Zimmer um.
»Ist hier irgendwas anders als sonst?«
Richie kniff verwirrt ein Auge zu. Er verstand den Sinn der Frage nicht.
»Ich suche nach einem Hinweis, ob tatsächlich jemand hier drin war.«
Richie ließ seinen Blick schweifen. Alles wirkte vertraut, alles war an seinem Platz. Die Poster von Rockbands an der Wand, der Berg dreckiger Wäsche in einer Ecke, der unlackierte Kleiderschrank von IKEA , die von Michael Schenker autografierte E-Gitarre an der Wand, das Schlafsofa mit der toten Ionela – der fehlende Traumfänger. Richies Augen wurden groß. Der Haken steckte verwaist in der Decke. Richie deutete darauf. Giselas Blick folgte dem Finger.
Lederer ließ Ionelas Leiche zur Rechtsmedizin nach München bringen. Eine Obduktion sollte ergeben, wie die Rumänin ums Leben gekommen war. Für Gisela war klar, dass nur Vlad der Täter sein konnte.
»Das ist Ihre Mutmaßung, und eine ziemlich wilde noch dazu«, meinte Lederer, als Gisela ihm ihren Verdacht auseinandersetzte. »Haben Sie dafür irgendeinen Hinweis? Einen klitzekleinen?«
»Natürlich nicht. Nur die Drohung des Herrn Tomanovici.«
»Was offiziell ja keine Drohung war, sondern eine Warnung.«
»Ist doch wurscht, wie man’s nennt, er hat jedenfalls angedeutet, was passieren wird.«
»Hat er konkret angedeutet, dass er Ionela umbringen wird?« Lederer fixierte sie mit klaren Augen. Gisela schnaubte.
»Was fragen Sie denn so blöd, wenn Sie genau wissen, dass er das nicht gemacht hat.«
»Ich stelle nur die Frage, die auch ein Richter stellen wird, wenn es darum geht, einen Haftbefehl gegen den beschuldigten Herrn zu erlassen.«
»Also machen wir nix?«
»Wir können leider nichts machen, Frau Kollegin.«
»Also kommt die Drecksau davon?« Gisela machte die kühle Ruhe Lederers wütend.
»Wir haben immerhin seinen Sohn, und die KT arbeitet unter Hochdruck daran, seine DNA an Danijelas Leiche zu finden.«
»Soll ich mich freuen, dass wir eine Sau haben, die größere Sau aber weiter frei rumläuft?«
»Frau Wegmeyer, wenn Sie sich aufregen, bringt uns das keinen Schritt weiter. Im Gegenteil, Ihre Urteilsfähigkeit wird nur herabgesetzt und vernebelt Ihren Blick auf den vorliegenden Fall.«
Gisela wollte Lederer auf der Stelle das Gesicht zerkratzen.
»Haben Sie sich zum Beispiel gefragt, warum er Ionela hätte umbringen sollen.«
»Als Warnung, wieso denn
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