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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Limmer
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nahm den Pass heraus, blätterte ihn auf. Das Passfoto war zwar etwas älter, nichtsdestotrotz war Jana gut zu erkennen. Ihrem Geburtsdatum nach war sie zwanzig.
    »Alles gut?«, fragte Vlad.
    »Soweit ich sehen kann, schon«, sagte Gisela. Sie steckte den Pass zurück in die Hülle.
    »Noch Tee?« Vlad deutete auf Giselas Tasse.
    Sie schüttelte den Kopf. Plötzlich rumste es laut, als wäre irgendwo im Haus ein Möbelstück umgefallen. Kurz darauf waren wütende Schreie zu hören. Alle sprangen auf, rannten in den Flur. Wieder ein Krachen, jetzt war deutlich zu hören, dass jemand etwas in einer fremdländischen Sprache schrie. Ein dumpfes »Du Drecksau« vermischte sich mit der Zorntirade.
    »Das ist der Schorsch«, sagte Erwin und rannte los, die Treppe hoch zur Quelle des Tumults. Gisela und Vlad eilten hinterher. Im ersten Stock erwartete Erwin ein mit alten Wandgemälden verzierter Gang, an dessen Ende ein Mosaikfenster das Sonnenlicht in schillernde Farben brach. Erwin stoppte kurz, um zu hören, woher der Lärm kam, und im gleichen Moment zerbarst eine der liebevoll renovierten Zimmertüren, und ein Knäuel aus zwei Männern stürzte in den Gang. Einer der Männer war Schorsch, der andere Ionel. Sie hatten sich so ineinander verkeilt, dass die Bewegungsfreiheit ihrer Fäuste sehr begrenzt war. Erwin sah auf den ersten Blick, dass Ionel eine tollwütige Energie in sich hatte, der Schorsch nicht lange standhalten würde. Kurzerhand packte Erwin den Rumänen an Haaren und Ohren, um ihn von Schorsch wegzuziehen. Ionel drosch blindlings nach dem neuen Gegner und erwischte Erwin hart am Kinn. Erwin setzte sich verdutzt auf seinen Hosenboden. Heißer Zorn hievte ihn wieder auf die Füße, und er attackierte Ionel mit gezielten Boxhieben in Nieren und Leber. Ionel schrie gepeinigt auf, ließ von Schorsch ab, rollte sich zusammengekrümmt weg. Erwin blieb dran, zwei Haken links-rechts in Ionels Gesicht und ein letzter Fauststoß gegen den Solarplexus. Ionel saugte die Luft hörbar ein, seine Augen weiteten sich, Überraschung stand ihm ins Gesicht geschrieben, dass ein untersetzter Kerl in Uniform ihn so schnell ausgeknockt hatte. Dann verdrehte er die Augen und sein Kopf kippte zur Seite. Schwer atmend stand Erwin über Ionel, beide Hände abwartend zu Fäusten geballt, doch der Rumäne bewegte sich nicht mehr.
    Gisela stürzte zu Schorsch, der sich erschöpft an die Wand lehnte, sein Gesicht blutverschmiert. Offensichtlich war seine Nase gebrochen, denn sie war unnatürlich groß und schief. Gisela holte ein Taschentuch heraus und tupfte das Blut weg. Schorsch zuckte kurz unter dem Schmerz zusammen, ließ Gisela aber machen. Sie hielt das Taschentuch unter Schorschs Nase, aus der das Blut weiterhin herausschoss.
    Erwin schaute zu Vlad, der vollkommen versteinert am Treppenabsatz stand.
    »Das ist er, oder? Ihr Sohn?«
    Vlad antwortete nicht. Gisela erhob sich.
    »Ich denk, wir erledigen alles Weitere auf der Wache.« Sie half Schorsch hoch, der das Taschentuch gegen seine Nase gedrückt hielt, und stützte ihn beim Hinuntergehen. Erwin legte Ionel Handschellen an. Als die eingerastet waren, tätschelte er unsanft Ionels Gesicht, um ihn wieder ins Bewusstsein zurückzuholen. Tatsächlich stöhnte Ionel bald und drehte seinen Kopf, öffnete träge die Augen. Erwin grinste ihn an.
    »Ich hoff, du kannst gehen, Bürscherl, weil tragen tu ich dich nicht.«
     
    Schwester Doris verarztete Schorschs Nase. Mit einem raschen Druck, der von einem leisen Knirschen und einem lauten Schrei Schorschs begleitet wurde, rückte sie die Nase wieder gerade.
    »Jetzt hab dich nicht so, ist ja betäubt.«
    »Die Nase schon, aber meine Ohren nicht.«
    Zwei Nasentamponaden steckten in seinen Nasenlöchern, um die Blutung zu stoppen. Schwester Doris gab ihm noch eine Packung davon zum Wechseln, bevor sie sich auf den Weg machte. Erwin saß auf dem Schreibtisch und schlenkerte mit den Beinen.
    »Danke«, sagte Schorsch zu Erwin und befühlte vorsichtig seine Nase. Der winkte ab.
    »Passt schon.«
    Die Tür zu Giselas Büro öffnete sich.
    »Kommst du?« Gisela winkte Schorsch zu sich. »Und du schaust, ob du den Richie mit seiner Begleitung herbringen kannst«, sagte sie an Erwin gewandt.
    Der rutschte folgsam vom Schreibtisch, während Schorsch Giselas Büro betrat. Dort saßen Vlad und Ionel, Letzterer mit mehreren Blutergüssen und Abschürfungen im Gesicht. Schorsch schenkte Vater und Sohn einen flüchtigen Blick und hockte sich auf

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