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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Limmer
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wechselten verunsicherte Blicke, traten von einem Fuß auf den anderen.
    »Hören Sie endlich auf!« Vlad Tomanovici riss Gisela an der Schulter herum. An seiner rechten Schläfe trat eine dunkle Ader hervor, das gesunde Auge glimmte wie eine Zündschnur. Gisela konnte seine Zähne knirschen hören. Er nahm seine Hand von ihrer Schulter.
    »Ganz im Gegenteil, ich fang gerade erst an.« Sie gab Schorsch ein Handzeichen. »Bring die Damen zum Auto. Für eine Befragung ist es mir hier zu gefährlich.« Ihre Stimme wurde ganz leise. »Wer weiß, zu welchen Handgreiflichkeiten der Herr hier sich noch hinreißen lässt.«
    Die Ader an der Stirn des Rumänen trat gefährlich dick hervor. Aber er blieb ruhig.
    »Äh, ich … ich weiß nicht, ob wir die alle reinkriegen.« Schorsch zog eine ratlose Miene.
    Gisela musterte die sechs jungen Damen. »Das geht schon, die sind so dünn, da zählt jede nur halb.«
    Schorsch nickte zur Kröte. »Die auch?«
    Gisela überlegte kurz, schüttelte den Kopf. Schorsch pustete erleichtert aus. Er gab Gisela die Tasse zurück und rückte seine Dienstmütze zurecht.
    »Also, gehen wir.« Mit einer einladenden Geste lotste er die Damen zum Ausgang. Alle vermieden es, Vlad Tomanovici ins Gesicht zu sehen. Der hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt, möglicherweise, um keine Dummheiten zu machen. Gisela hatte gehofft, er würde sich nicht beherrschen und sie vor den Zeugen tätlich angreifen. Eine Festnahme des Rumänen wäre ihr ein, zwei Schläge wert gewesen. Gisela trank den Milchkaffee aus, reichte der Kröte die leere Tasse.
    »Sehr gut, danke.« Sie meinte es so. Normalerweise bekam sie von Automatenkaffee eine pelzige Zunge. »Darf ich fragen, welche Sorte das ist?«
    »Verschwinden Sie endlich«, sagte Vlad Tomanovici. Es lag eine Ruhe in seiner Stimme, die Gisela leichtes Magendrücken verursachte. Es klang nach einem aufkommenden Sturm. Die Entschlossenheit in seinem Gesicht verstärkte diesen Eindruck noch.
    Hatte sie ihn falsch eingeschätzt und er würde sich dem Druck nicht beugen? Wenn dem so war, könnte es schlimmer kommen als gedacht. Mit diesem beunruhigenden Gedanken quetschte sich Gisela neben eine der jungen Damen auf den Beifahrersitz. Die beklemmende Stille während der Fahrt zurück zur Dienststelle nach Niedernussdorf und das aufziehende Sommerunwetter, das sich am schwarzblauen Horizont abzeichnete, vervollständigten das ungute Gefühl.
     
    Es war ein gewaltiges Gewitter, das in dieser Nacht tobte. Der Sturm trieb den Regen fast waagrecht vor sich her, Blitz und Donner hämmerten wie siamesische Zwillinge auf den ganzen Landkreis ein. Altersschwache Bäume wurden entwurzelt, die Gullis liefen über, die Felder wurden überschwemmt, die Tiere in den Ställen jammerten und greinten. Die Menschen verschanzten sich in ihren Häusern. Niemand, der nicht unbedingt musste, wagte sich in die entfesselten Naturgewalten hinaus.
    Beppo und Olli klebten am Fenster von Ollis Kinderzimmer und beobachteten mit großen Augen das wilde Schauspiel. Beppos alleinerziehende Mutter hatte zweimal die Woche Nachtschicht in Dingolfing bei BMW , und er durfte bei Olli übernachten. Jetzt entdeckte er in dem dichten Regenvorhang mehrere sich nähernde Lichter.
    »Sind das UFOs?« Er zeigte Olli die Lichter. Der drückte seine Stirn fest gegen die Glasscheibe, fixierte die Erscheinungen.
    »Das sind Motorräder«, stellte er fest.
    »Geh, du spinnst ja. Bei dem Wetter.«
    Beppos Ungläubigkeit wurde weggefegt, als ein Dutzend Harleys mit massigen Männern darauf am Haus vorbeidonnerten. Alle trugen Vollbärte, ärmellose Jeansjacken über dunklen Lederjacken und Cowboystiefel. Sie wirkten, als kämen sie direkt aus der Hölle. Im Licht eines Blitzes leuchtete die blutrote Schrift auf den Jeansjacken auf.
Bloody Devils.
Wenige Sekunden später wurden die blutigen Teufel von der Dunkelheit des Unwetters verschluckt. Die roten Rücklichter starrten Beppo und Olli wie die Augen teuflischer Monster an.
    »Scheiße, ich glaub, das gibt Ärger.« Olli schaute zu Beppo, der seinem Freund nur zustimmen konnte. In dem Moment erlosch im Kinderzimmer die kleine Nachttischlampe neben Ollis Bett. Die Straßenlaternen und die erleuchteten Fenster rundherum wurden ebenfalls dunkel.
    »Jetzt geht’s los.« Beppo wagte nur mehr zu flüstern. Olli wusste genau, was er meinte. Im Religionsunterricht hatten sie vor kurzem die Apokalypse durchgenommen, und genau so fühlte sich diese Nacht an.
    Die sechs

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