Unter aller Sau
Gesellschaft, bis die Chefin aus Straubing zurück war und die Befragung beginnen konnte.
Über die Gegensprechanlage stellte Gisela von ihrem Schreibtisch aus Fragen an die beiden Rumänen, in denen sie um Kooperation bat. Unterschwellig drohte sie damit, schwerere Geschütze aufzufahren, sollte dieses Gespräch eine Einbahnstraße werden. Doch die Rumänen machten den Mund nicht auf. Erst als Giselas Geduldsfaden riss und sie ankündigte, die Männer der Bürgerwehr kommen zu lassen, begann der Größere zu fluchen und zu schimpfen. Jana übersetzte die unflätigen Worte mit einem Kichern. Für manche Ausdrücke gab es keine deutsche Übersetzung, so dass sie zu Eigenkreationen greifen musste.
Gisela fand das gar nicht amüsant. Sie war ratlos, wie sie weiter vorgehen sollte. Sie konnte den Dienstweg einhalten, oder sie konnte noch einen Schritt weiter gehen. So heiß brannte in ihr der Wunsch, Vlad das Handwerk zu legen, dass sie sich für Letzteres entschied. Mit ihrem Handy machte Gisela Fotos von den zwei Gefangenen.
»Ich fahr mal ins Paradies.«
»Wozu das denn?«, wollte Erwin wissen.
»Mal schauen, ob ich die Ratte aus dem Loch locken kann.«
»Ich komm mit.« Schorsch erhob sich. »Dann hast diesmal einen Zeugen.«
Während der Fahrt nach Grünharding spielte Gisela ihre Möglichkeiten durch, Vlad Tomanovici aus der Reserve zu locken. Am liebsten wäre ihr, Vlad würde sich erneut zu einer kompromittierenden Aussage hinreißen lassen, aufgrund deren sie ihn festnehmen könnte. So weit käme es nur, wenn er ausrastete und die Kontrolle verlor. Sie musste ihn da treffen, wo es ihn am meisten schmerzte. Im Geschäftlichen. Im Paradies.
Die Kröte empfing Gisela und Schorsch mit einer missmutigen Miene. Bevor sie ein Wort ausspucken konnte, hielt Gisela ihr Handy mit dem Foto des größeren Rumänen hoch.
»Kennen Sie diesen Mann?«
Die Kröte schob die Unterlippe vor, schüttelte den Kopf. Gisela rief das zweite Foto auf.
»Den?«
Erneutes Kopfschütteln.
»Darf ich Sie bitten, Ihre Mitarbeiterinnen zusammenzurufen?«
»Wieso das denn?«
»Um die Damen bezüglich dieser Herren zu befragen.«
»Ich glaube nicht, dass Sie das dürfen.« Trotz des abweisenden Blickes klang die Stimme der Kröte leicht verunsichert.
»Es geht um die Abwendung einer möglichen Straftat, und laut Paragraph 55 der Strafprozessordnung ist eine befragte Person nur dann von der wahrheitsgemäßen Auskunft entbunden, wenn sie sich dadurch selbst belasten und einer Strafverfolgung aussetzen würde. Denken Sie, dass das bei den hier arbeitenden Damen der Fall sein könnte?« Die maschinengewehrartige Salve, von Schorsch mit Vehemenz dargebracht, erstickte jegliches Widerwort im Keim. Er liebte es, andere mit seiner Kenntnis des Strafgesetzbuches zu beeindrucken. Gisela hatte mit ihm jeden Schritt während der Fahrt durchgesprochen und ihn dazu ermutigt, mit seinem Wissen nicht hinter dem Berg zu halten.
Die Kröte schnappte sich ihren Telefonhörer.
»Ich … da muss ich erst Rücksprache halten.« Sie deutete auf die Sitzgruppe in der Wartezone. »Wenn Sie bitte so lange Platz nehmen würden.«
Gisela und Schorsch zogen sich auf die Ledersessel zurück, während die Kröte angespannt in den Hörer tuschelte. Schorsch nahm sich eine Autozeitschrift, Gisela betrachtete prüfend den Bambus neben ihrem Sessel. Die Kröte legte den Telefonhörer auf.
»Es wird sich gleich jemand um Sie kümmern. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
»Was heißt denn gleich? Hier ist Gefahr im Verzug«, raunzte Gisela die Kröte an. Die blinzelte nervös.
»Herr Tomanovici wird in zehn Minuten hier sein.«
»Ich möchte Sie trotzdem bitten, die Damen schon mal zu informieren.«
Die Kröte räusperte sich, kleine Schweißperlen glänzten auf ihrer Oberlippe.
»Ich … ich befürchte, das wird nicht möglich sein. Einige sind gerade mitten in einer Anwendung.«
Gisela nickte Schorsch aufmunternd zu.
»Mach du das. Du kennst dich hier ja aus.«
Schorsch legte die Zeitschrift weg, wuchtete sich aus dem Sessel. Er marschierte schnurstracks auf die Schiebetür zu. Die Kröte sprang auf. Ihr massiger Körper walzte hinter dem Tresen hervor, um sich Schorsch in den Weg zu stellen. Sie trug ein wallendes pinkfarbenes Kleid, ihre breiten Füße steckten in Zimtsandalen.
»Einen Moment, was soll das denn?«
»Gefahr im Verzug bedeutet, dass wir keine Zeit zu verlieren haben. Sollten Sie sich mir in den Weg stellen, machen Sie
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