Unter alten Bannern (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
sie das Schlachtfeld am morgigen Tage lebend verlassen, dann würde sich eine Beziehung zwischen ihnen anbahnen. Dessen war sie sich sicher. Sie hatte dem Baron zwar schon ihre Zuneigung bekundet. Doch nun war er es, der zurückhaltend und fast abweisend auf sie reagierte, wenn sie in seine Nähe kam.
Weit südlich von ihr vernahm sie das entfernte Wiehern eines Pferdes. Sofort sah sie in diese Richtung und lauschte in die Nacht hinein. Doch es war nichts Weiteres zu vernehmen. Kein Geräusch, das hier nicht hingehörte, drang an ihr Ohr. Die Späher der Xenorier waren weiter nördlich von ihnen in Stellung und würden sie warnen, wenn Gefahr drohte. Auch südlich von ihnen waren Männer Eflohrs verteilt, die ein Auge darauf hatten, dass niemand unbemerkt von hinten an sie herankam und ihre Pläne durchkreuzte. Sie bewunderte den Mut der Alten, die so friedlich und fest schliefen. Nicht einmal hatte ein Mann oder eine Frau, die mit ihr in die Schlacht zogen, Furcht darüber gezeigt, was dieser Tag bringen möge. Das war unglaublich. Nur als sie den Falkenstein verließen, hatten ihnen die Zurückbleibenden einige Tränen nachgeweint. Whenda wusste jedoch noch heute nicht zu sagen, ob diese Tränen wegen der Trauer des Abschiedes vergossen worden waren, oder weil diejenigen, die weinten, zurückbleiben mussten und nicht selbst am Kampf teilnehmen durften.
Whenda hatte in dieser Nacht nicht geschlafen, sie sah zu Turgos hinüber, der wie die anderen Männer und Frauen in voller Rüstung ruhig schlief. Whenda schaute nach Norden. Dort würde sich morgen ihrer aller Schicksal entscheiden. Sie musste an Nerija denken. Was würde diese wohl dazu sagen, was hier in den Thainaten Fengols vor sich ging? Hoffentlich machten ihre eigenen Leute die Sache gut, die sie in Schwarzenberg begonnen hatte. Sicher vermisste man sie und den Baron dort schon und vermutete gar Schlimmes. Whenda setzte sich hin und wartete gedankenverloren auf das Aufgehen der Sonne.
Vor der Schlacht
Whenda und Turgos, 16. Tag des 8. Monats 2515
Im Osten erhellte sich der Himmel langsam ein wenig und das Lager begann, sich mit Leben zu füllen. Sehr zügig standen die Männer und Frauen auf, zupften sich ihre Rüstungen zurecht und sahen nach dem Sitz ihrer Waffen. Man aß das Trockenfleisch und die letzten Reste des Brotes. Jeder hatte sich seine Rationen so eingeteilt, dass sie am heutigen Morgen aufgebraucht waren. Auch die Wasserflaschen und Schläuche wurden geleert. Die, die mehr Durst verspürten, gingen noch zu dem Bächlein hin, welches irgendwo im Südwesten in den Anjul mündete, und stillten dort ihren Durst. Jene, die noch nicht ganz wach waren, wuschen sich mit dessen Wasser auch noch den Schlaf aus den Augen, ehe sie losgingen, um ihre Pferde zu holen. Noch ehe die Sonne ganz am östlichen Morgenhimmel erschien, war das ganze Reiterheer in lockerer Formation in den in Lahrewan abgesprochenen Schlachtreihen angetreten. Turgos saß auch im Sattel und hielt das Banner des Fürstenhauses von Fengol in der rechten Hand. Sein Stiel endete in einer metallenen Schlaufe mit Boden. Es war so schwer, dass der Baron sein Gewicht ständig mit den Steigbügeln nach links ausgleichen musste, sonst drohte es seinen Sattel nach rechts herunterzuziehen, wenn er schnell ritt.
Turgos hatte aus diesem Grund auch eines der stärksten Pferde erhalten, das auf dem Falkenstein zur Verfügung stand. Es schien ihm jedoch gut mit der Last klarzukommen. In den Tagen, seit sie hierher unterwegs waren, hatte es nie gebockt oder sich auf andere, den Pferden eigene Art geweigert, diese Last zu tragen. Whenda kam heran und führte ihr Pferd an die Seite von Turgos. Sie sah ihn an und er erwiderte ihren Blick.
»So lass uns heute zum ersten Male gemeinsam in die Schlacht ziehen, mein Freund.«
Turgos nickte. »Hoffentlich wird es nicht auch gleich das letzte Mal sein«, entgegnete er ihr mit einem Lächeln. Er hatte wieder die gleiche Zuversicht wie zu Beginn ihrer Reise in den Augen. Dies tat Whenda gut, denn es stärkte auch die ihre. Wenn sie auch nicht an der Kampfkraft der Alten vom Falkenstein zweifelte, so würde es sich doch erst in der Schlacht herausstellen, ob diese Hoffnung gerechtfertigt war. Die meisten der Männer und Frauen hatten ihre goldenen Helme noch nicht aufgesetzt und sahen zum Bannerträger und der Statthalterin hin. Whenda konnte kein Gesicht erkennen, in das sich der Zweifel oder gar die Furcht vor dem Feind eingeschlichen hatte.
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