Unter alten Bannern (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
Dann war sie den Soldaten gefolgt und hatte gesehen, wie geschickt sie den Hinterhalt für den Baron gelegt hatten. Die Männer waren jedoch so weit auseinander gelaufen, dass es ihr einfach zu gefährlich erschienen war, früher einzugreifen. Sie hätte vielleicht den einen oder anderen bezwungen. Aber in dieser Zeit hätte Turgos den Tod finden können, da er von einem Hinterhalt sicher nichts wusste und arglos in die Falle tappte.
Es war auf der Straße nach Idenstein gewesen, als sie ihre Meinung änderte und umkehrte. Und heute wusste sie immer noch nicht den genauen Grund dafür. Würde Nerija sie hier in diesem Kriegsgebiet sehen können, wäre die Kanzlerin sicher außer sich vor Zorn. Whenda hatte ihr versichert, dass sie sich nicht in Gefahr begeben würde. Und nun dies!
Wenn sie gleich lagerten, würde Turgos ihr erneut für seine Rettung danken und alles über Chammon erfahren wollen. Dessen war sie sich sicher. Und da gab er ihr auch schon das verabredete Zeichen. Nachdem sie so vorgegangen waren, wie es zuvor ausgemacht war, wussten sie sicher, dass ihnen niemand folgte. Aber das hieß noch lange nicht, dass keine Feinde vor oder seitlich von ihnen waren und die Nacht abwarteten, um sie zu meucheln. Am schlimmsten wäre es, wenn die überlebenden Soldaten, die sie fliehen lassen musste, auf Kameraden treffen und diesen von den reichen Wanderern erzählen würden, die sie angetroffen hatten. Die Gier würde sie das Risiko um den eigenen Tod vergessen lassen. Whenda kannte diese Art von Menschen, und sie war ihnen nicht einmal böse deswegen. Sie waren einfach so und hatten es nie anders gelernt.
Als sie zurück zu Turgos schlich, lag dieser noch immer in einer Lauerhaltung hinter einigen Felsbrocken und spähte in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Durch das aufziehende Gewitter brach die Dunkelheit jedoch viel schneller über sie herein, als es sonst der Fall gewesen wäre. Dies konnte zu ihrem Vorteil sein oder auch nicht. Whenda bemerkte erst jetzt, dass die Senke, in der sie lagern wollten, nicht gerade breit war. Es war mehr eine Mulde, die zwar eine halbe Mannshöhe tief war, dafür jedoch nicht sehr breit. So würde sie sehr nahe bei Turgos sein müssen und konnte sich nicht damit herausreden, dass sie jemand hören konnte, sollten sie miteinander flüstern. Als sie einen kleinen Happen gegessen hatten, holte Turgos seinen Schnapskrug hervor und nahm einen kräftigen Schluck. Als er das Gebräu Whenda anbot, wollte sie zuerst ablehnen. Dann entschloss sie sich jedoch dagegen. Was konnte es hier schon ausmachen, wenn sie etwas benebelt war? Würde sie jemand entdecken, dann sähe es sowieso böse aus. Lieber mit der Heiterkeit des Alkohols im Geiste kämpfen, dachte sie für sich, als einfach so zu sterben. Und da sie ganz nah beieinander saßen, gab Turgos jedes Mal, wenn er einen Schluck aus dem Krug genommen hatte, diesen an Whenda weiter. So war auch sie bald von dem Alkohol benebelt und fand mit der Zeit den Schnaps als angenehmen Zeitvertreib. Er löste ihr die Zunge und ließ sie alle Fragen mit Leichtigkeit beantworten, die Turgos ihr stellte.
Sie erzählte von Chammon, dem Bewahrer der Lichter der Rana-Velul, der Menschen. Sie konnte sich gut der alten Geschichten erinnern, die es von Chammon zu erzählen gab. Er wurde von Mythanos erschaffen, nach dem Bild, das der Eine ihm eingab. Chammon hatte seinen Sitz auf Alatha und war dort auf dem Iltarios, dem Höchsten aller Berge und Sitz des Mythanos anzutreffen. Anzutreffen war vielleicht etwas zu viel gesagt, aber Whenda war schon zu beschwipst und erzählte es so, stellte es dann aber richtig.
»Er hütet dort die Hallen der Lichter. Dies ist der Ort, an den alle Menschen, also deren Lichter, gehen, wenn sie versterben und ihre Körper vergehen. Auch Ihriel, der Hüter der Lichter der Anyanar, wohnt dort. Die Anyanar können miteinander sprechen, wenn sie tot sind. Bei den Menschen ist das nicht so.«
Turgos wollte wissen, wieso. Aber Whenda musste lachen, sie wusste es einfach nicht. Und dann gab es da noch Thalos, dieser richtete über die Lichter der Anyanar. Er entschied, ob sie recht gehandelt hatten, als sie noch in der Welt waren. Hatten sie das, dann durften sie sich mit ihren Brüdern und Schwestern vereinen. Hatten sie nicht recht gehandelt in der Welt, so wurden sie von diesen getrennt.
»Was heißt denn genau: recht gehandelt?«, wollte Turgos wissen.
Whenda erzählte ihm von der Wahrhaftigkeit, die allen Kindern
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