Unter alten Bannern (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
er war auch das, was ihr nur alleine gehörte. Und niemand sollte ihn ihr nehmen. Würde sich herausstellen, dass von ihm eine Gefahr ausging, dann wäre sie natürlich bereit, ihn zu zerstören, so wie es einer der Gärtner vorgeschlagen hatte, um das Problem an seiner Wurzel zu lösen. Bis dahin würde sie jedoch warten und sich an seinem Wuchs erfreuen. Sie freute sich schon darauf, wenn sie Tankrond berichten konnte, was aus seinem Geschenk geworden war.
Kriegsgebiet
Das Fend, 27. Tag des 6. Monats 2515
Der Abend war schnell hereingebrochen und ein Gewitter zog gerade auf, als Turgos und Whenda einen Lagerplatz für die Nacht ausgewählt hatten. Sie waren den ganzen Tag zügig durch das Fend marschiert und hatten wenig Interesse an der Landschaft bekundet. Oft waren sie an Leichen von Soldaten der Thaina Elborgans vorbeigekommen. Die Männer lagen überall verstreut herum und es hatte den Anschein, dass sie in einem ungeordneten Rückzug umgekommen waren. Aus vielen der Toten ragten noch Pfeile heraus, die sie tödlich getroffen hatten. Es waren jedoch auch Tote zu erkennen, die von einem Schwert getötet worden waren. Auch war manchem Soldaten einfach mit einem schweren Gegenstand der Schädel eingeschlagen worden, wie es aussah. Turgos war darüber verwundert, das die Leichen nicht geplündert worden waren. Nicht eine fanden sie ohne Schuhwerk und meistens trugen die Männer noch ungeöffnete Rucksäcke auf dem Rücken, die dagegen sprachen, dass die Leichen oder schwerverwundeten Kämpfer ausgeraubt worden waren. Turgos wies Whenda durch Handzeichen mehrmals darauf hin und immer gab sie ihm zu verstehen, dass sie wusste, was er meinte. Sie sprachen nicht dabei, denn sie gingen im Abstand von gut zwanzig Schritten, um einem etwaigen Angriff aus dem Unterholz besser begegnen zu können. Aber so konnten sie auch nicht miteinander sprechen. Die Entfernung war zu weit und sie wollten nicht gehört werden. Sie wussten schließlich nicht, wer hier noch lauerte. Ein einziger Pfeil von einem beherzten Bogenschützen im richtigen Moment konnte all ihre Hoffnungen zunichtemachen. Er musste sie dabei nicht einmal töten. Momentan war es Whenda, die vorausging, und sie war sehr gewissenhaft dabei und hatte immer die Umgebung im Blick. Der Wald war hier, so weit im Norden des Fends, sehr dicht. Aber oftmals waren auch große Flächen derart mit Felsen übersät, dass sie weit über kahle Stellen, die nur von Moosen und etwas Gras bewachsen waren, gehen mussten. Diese waren am gefährlichsten. Whenda fürchtete sich am meisten davor, in einen Hinterhalt, der von Bogenschützen gelegt war, zu geraten. Sie wusste noch aus den alten Tagen Ilvaleriens, was diese anzurichten vermochten. Sie konnte sich zwar nicht vorstellen, dass sich die Menschen, auch nicht diese Rebellen aus den Thainlanden, so gut auf diese Kunst verstanden, doch war sie besser vorsichtig.
Am späten Nachmittag löste Turgos sie dann wieder an der Spitze ab und sie fiel die ausgemachten zwanzig Schritte hinter ihn zurück. Als sie an ihm vorbeigegangen war, hatten sie schnell ausgemacht, dass er, sobald er eine geeignete Stelle fand, dort stehen bleiben und ihr ein Zeichen geben sollte, dass er einen Lagerplatz ausgewählt hatte. Sie würde weitergehen, während Turgos sich verbarg. Sollte jemand sie verfolgen, so hofften sie, ihn durch dieses Manöver in die Irre zu führen. Es war zwar geradezu lächerlich und sie mochten so vielleicht einen einzelnen oder zwei Feinde in einen Hinterhalt locken. Sollten es jedoch mehrere sein, sah es böse für sie aus. Whenda hatte keine richtige Lust zu lagern. Ihr war nicht nach einer Unterhaltung mit Turgos, obwohl sie froh war, dass sie ihn noch rechtzeitig erreicht hatte. Sie war schon weit gegangen, als sie sich zur Umkehr entschloss. Noch war sie sich nicht sicher, ob dies eine gute Idee gewesen war. Turgos mochte zwar deshalb am Leben sein. Aber vielleicht war ihrer beider Tod so nur aufgeschoben worden? Denn nicht einmal Chammon wusste, wann er die Lichter der Menschen heimgeleiten sollte. Oder wusste er es? Sie war sich dessen nicht sicher und zwang sich, wieder die Umgebung im Auge zu behalten. Unachtsamkeit konnte hier tödliche Folgen nach sich ziehen. Turgos hatte es ihr bewiesen. Sie hatte die Feinde kommen gehört und sie auch des Nachts beobachtet. Als sie Turgos dann am Berg sah, wusste sie, dass sicher die Soldaten Elborgans dies auch gerade taten. Vielleicht gar zur selben Zeit wie sie.
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