Unter alten Bannern (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
wie immer alleine im Garten gewesen und niemand konnte ihr somit bestätigen, dass ihre Beobachtung tatsächlich stattgefunden hatte. Dazu war die Sorge um Elardor gekommen, die sie in jener Nacht umtrieb. Ihr Mann war damals nämlich an den Unir gezogen, um die Verteidigungsstellen zu inspizieren, wie er es alle paar Jahre tat. Sie erinnerte sich jetzt auch wieder genau, dass sie durch einen unsanften Traum aus dem Schlaf gerissen worden und deshalb in die Gärten gegangen war. Es war eine kalte Nacht gewesen und sie hatte in ihrem dünnen Gewand gefroren.
Seit der Fürst von Fengol so unerklärlich verschwunden war, und sie scheinbar alleine ohne den Schutz und die Zuneigung der Mächte hier in diesen ihm immer noch fremden Landen verbringen mussten, war Elardor nicht mehr geneigt, sich Dinge über die Vorsehung anzuhören, die manche in Vanafelgar noch immer heraufbeschworen. Selbst der grimmige Tervaldor glaubte daran, wie sie einmal bei einem Gespräch mit ihm erfahren hatte. Auch wenn Elardor es sich selbst verbieten mochte, an jene Zeiten zu denken, in denen Xenon, der Fürst von Fengol, an der Spitze ihrer vereinigten Armeen gestanden hatte und sie unter dem Banner der Hoffnung gegen die Scharen Uluzefars führte, Varasia dachte gerne an jene Tage zurück. Oft hatte sie sich gefragt, wo das Banner nun war. Eigentlich musste es sich beim Schatz der Zwerge befinden, wenn dessen Stoff nicht schon lange dem Zahn der Zeit anheimgefallen war. Doch sagte man, dass es auf den Webstühlen der Mächte selbst erschaffen worden sei. Wenn das der Wahrheit entsprach, hatte es sicher die Zeiten bis heute überdauert. Sie glaubte nicht, dass ein Werk, das von so hoher Hand gewirkt worden war, einfach vergehen konnte, aber sie sprach diese Gedanken gegenüber Elardor selten aus. Je länger sie in der Welt verweilte, desto mehr glaubte sie auch, dass die Anyanar, zumindest einige von ihnen, die Gabe erlangten, in Gedanken miteinander sprechen zu können. Es war ihr zwar noch zu unbestimmt, dies zu formulieren, doch war es auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Darüber würde sie einmal mit Elardor reden müssen. Es waren seine Gedanken, die sie in ihrem Geiste manchmal zu hören glaubte. Leider waren sie immer trauriger Natur.
Ihr Mann vermisste ebenso wie sie die Söhne und die Tochter, die sie verloren hatten. Alle waren erst in Vanafelgar von ihnen genommen worden. Sie erinnerte sich noch gut an das Jahr 1214 der Zeitrechnung Vanafelgars und die Zeit nach der Schlacht von Faragos, die die verlustreichste aller Schlachten für die Anyanar war, die sie je gefochten hatten. Ihr ältester Sohn und Erbe, Perador, war damals gefallen. Auch seine Schwester überlebte die Verwundungen nicht, die ihr die Speere der Ugri zugefügt hatten. Ixantha erlag ihren Verletzungen zwei Tage nach der Schlacht. Auch wenn niemand ihr damals glauben wollte, so war sie sich doch sicher, dass ihr Tod dadurch herbeigeführt worden war, dass die Hor-Suulat ihre Hand im Spiel hatten. Sicher waren die Speere der Ugri vergiftet gewesen. Ixantha war stark gewesen und hatte eine gute Konstitution. Auch heilten die Wunden der Anyanar schnell, wenn man sie gut pflegte. Varasia hatte einst den Wald erblickt, der in Ilvalerien der Nornenwald genannt wurde. Dort hatte sie gesehen, dass die Hexe Taniah in der Lage zu sein schien, ganze Wälder oder Landstriche mit ihrem Gift zu verdorren. Warum sollte diese dann nicht auch ihre Künste Sharandir zugutekommen lassen, der, so wie es aussah, über die dunklen Sithar zu gebieten schien. Keiner von den Anyanar Vanafelgars wollte das glauben. Sie verabscheuten Sharandir, und viele gab es noch, die sich seiner erinnerten. Nicht in ihrem Volke, aber in Maladan. Und nur weil es ihnen unverständlich erschien, dass dieser eine solche Macht innehaben sollte, hieß das noch lange nicht, dass ihm Uluzefar selbst, mit dem er im Bunde gewesen war, diese nicht verliehen hatte. Uluzefar war unergründlich. Mochte er auch aus der Welt sein. Sein Wirken trug noch immer Früchte. Sie verwarf diesen letzten Gedanken jedoch sofort wieder. Es war nicht der rechte Ausdruck, es Früchte zu nennen, was aus Uluzefars Wirken erwuchs. Es war mehr eine dunkle Saat, die immer mehr aufging, solange sie mit dem Blut der Anyanar Vanafelgars bewässert wurde.
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