Unter deinem Stern
einen Riesenappetit. Unsere Mägen knurrten immer lauter, und dann haben wir uns über unser Picknick hergemacht.«
»Och!«, sagte Jalisa enttäuscht.
»Du verstehst das nicht. Für mich gibt es nichts Romantischeres als einen fürsorglichen Mann. Er hatte alle möglichen belegten Brote geschmiert, weißt du, damit auf jeden Fall etwas dabei war, was mir schmeckte! Es war total lustig: Es gab Brote mit Käse und Erdnussbutter, mit Salat und Mayonnaise, mit Schinken und Essiggürkchen, mit Tomaten und gekochtem Ei – einfach alles! Kein Wunder, dass sein Rucksack fast eine Tonne gewogen hatte. Zum Schluss hat er sogar noch eine kleine Dose mit frischen Erdbeeren hervorgezaubert! Ich konnte es nicht glauben.«
»Hat er dich denn damit gefüttert?«, wollte Jalisa begierig wissen.
»Natürlich nicht! Aber er hat mich noch einmal geküsst. Eigentlich haben wir den ganzen Tag nicht mehr aufgehört, uns zu küssen. Immer wieder hat er auf einen Felsen gezeigt und gesagt:« Siehst du den Stein da drüben? Sobald wir da sind, küsse ich dich. »Von da an hatte ich nur noch Pudding in den Knien. Ich bin rumgestolpert wie ein neugeborenes Fohlen.«
Jalisa lachte.
»Als wir zum Auto zurückkamen, war es schon später Nachmittag. Wir sind nach Eskdale gefahren, wo Luke mich zum Tee eingeladen hat.«
»Worüber habt ihr euch unterhalten?«
»Über alles! Über die Gruppe von freiwilligen Helfern, die er mit gegründet hatte, über unsere Liebe zur Natur, über Essen und Filme, über Ferien und Hobbys – einfach über alles! Dann haben wir aufgehört zu reden und uns wieder geküsst.«
Jalisa grinste von einem Ohr bis zum anderen.
»Von da an haben wir uns immer wieder getroffen. Luke arbeitete damals in einem Naturcamp, das ziemlich weit von Whitby entfernt lag, und es war nicht so einfach für ihn, das Wochenende freizubekommen, wenn sich Gruppen angemeldet hatten. Aber wir haben uns so oft gesehen, wie wir konnten. Und als Revanche dafür, dass er mich an den See geschleppt hat, wo ich über all die Felsbrocken klettern musste, habe ich ihn gezwungen, sich Singin ’ in the Rain mit mir anzusehen.«
Jalisa kicherte.
»Ich hab mir gesagt, am besten, ich fange mit einem Klassiker an und sehe erst mal, wie er reagiert.«
»Und? Was hat er gesagt?«
»Er war begeistert! Wirklich. Er hatte gar nicht gewusst, wie lustig der Film ist, und er meinte, das einzige Musical, das er je gesehen hatte, war A Star is Born mit Barbra Streisand. Da hab ich ihm gesagt, dass das meiner Meinung nach eigentlich gar kein Musical ist, weil viele Szenen ganz normal gespielt werden, während in einem richtigen Musical die Figuren ihre innersten Gefühle und Gedanken durch Songs ausdrücken, wie zum Beispiel Gene Kelly, wenn er in Brigadoon den Song Almost Like Being in Love singt, oder wenn Judy Garland in Das zauberhafte Land das berühmte Lied Somewhere over the Rainbow singt. Außerdem hab ich ihm gesagt, dass Judy Garlands Version von A Star is Born bei weitem die beste ist.« Claudie kicherte. »Danach habe ich fast befürchtet, ich hätte ihn abgeschreckt«, fügte sie hinzu. »Ich dachte, wahrscheinlich hält er mich jetzt für eine musicalsüchtige Spinnerin, die zu wenig unter die Leute kommt.«
»Er hat sich jedoch nicht abschrecken lassen, stimmt’s?«
Claudie schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich frage mich heute noch oft, was ihn an mir angezogen hat. Er war so stark und selbstsicher bei allem, was er tat, während ich so schüchtern und, na ja, irgendwie spinnert bin.«
»Vielleicht hat er sich zu dir hingezogen gefühlt, gerade weil du so ganz anders warst als er. Man sagt doch, Gegensätze ziehen sich an.«
»Kann sein«, sagte Claudie. »Weißt du, Luke hat mich immer an den Blechmann in Das zauberhafte Land erinnert. Er war so lieb und nett.«
Jalisa schaute sie verdutzt an. »War der Blechmann nicht der, der kein Herz hatte?«
Claudie lächelte. »Also, ich habe nie verstanden, warum es in dem Film immer heißt, er habe kein Herz, denn ich fand, dass er das größte Herz von allen hatte.«
Sie schwiegen eine Weile.
Plötzlich sagte Claudie, der tausend Dinge durch den Kopf gingen: »Die verrücktesten Sachen bringen mich zum Weinen.« Jetzt, wo sie einmal angefangen hatte, Jalisa ihr Herz auszuschütten, konnte sie gar nicht mehr damit aufhören. »Neulich hab ich eine Apfelsine in zwei Hälften geschnitten – das hat so herrlich geduftet, und auf einmal hab ich gedacht, diesen Duft wird Luke nie wieder
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