Unter deinem Stern
Ordnung, Mr Bartholomew.«
»Sie haben nämlich gerade wieder diesen Blick. Als würden Sie jeden Augenblick einfach davonschweben.«
Claudie zog die Brauen zusammen. »Wirklich?«
Er nickte. »Ja!«, sagte er, während seine Hakennase sich auf und ab bewegte, als wollte er damit die Luft in Scheiben schneiden. »Ja«, wiederholte er, »genau diesen Eindruck machen Sie.«
Wahrscheinlich ist das nichts Positives, sonst hätte er es nicht erwähnt, dachte Claudie. Er sprach nie ein Lob aus, gab höchstens Ratschläge, wie etwas besser zu machen war. Aber einfach davonschweben – das klang gar nicht so schlecht. Claudie konnte es sich beinahe vorstellen. Wie eine Szene aus einem ihrer MGM-Musicals. Natürlich war sie dafür nicht passend angezogen. Etwas mit duftiger Spitze und himmelblauen Pailletten wäre das Richtige zum Entschweben. Ein Kleid wie in Smoke Gets in Your Eyes in Till the Clouds Roll By, dachte sie. Ja! Das wäre perfekt!
»Claudie?«
»Ja?« Sie sah ihrem Chef direkt in die Augen. Sie musste sich unbedingt besser konzentrieren. Das war jetzt ganz wichtig.
»Brauchen Sie ein bisschen Zeit für sich? Würden Sie gern ein paar Tage freinehmen?«
»Nein!«, erwiderte sie hastig. »Ich liebe meine Arbeit. Ich fühle mich wohl hier.«
»Tut die Arbeit Ihnen denn gut? Ich meine«, er fuhr sich mit seinen langen Fingern durch die Haare, »würden Sie sich eventuell zu Hause besser fühlen?«
»Nein!« Claudie hatte Mühe, nicht zu schreien. Sie wollte nicht, dass er sie nach Hause schickte.
»Vielleicht nur für den Rest der Woche. Im Moment ist sowieso nicht so viel zu tun«, log er. »Kristen und Angela könnten so lange für Sie einspringen.«
»Aber ich –«
»Ich glaube, es würde Ihnen gut tun.«
Claudie öffnete den Mund, um ihm zu widersprechen, doch Mr Bartholomew hatte sich bereits erhoben.
»Sie gehen nach wie vor zu diesem Dr. Lyndell, nicht wahr?«
»Dr. Lynton, ja.«
»Gut. Das ist gut«, stammelte er, während er sie unbeholfen aus seinem Büro schob. »Falls Sie irgendetwas brauchen, Claudie – äh – sagen Sie uns einfach Bescheid.«
»Mr Bartholomew?«
»Ja?«
»Sie haben mich doch nicht etwa gerade wirklich gefeuert?«
»Nein, nein! Ich denke nur, Sie könnten ein paar Tage Urlaub gut gebrauchen. Am Montagmorgen möchte ich Sie dann wieder hier sehen.«
»Verstehe«, sagte Claudie. Sie merkte, dass er erneut errötet war. Dann fing das Nicken wieder an, weil er nicht wusste, was er sagen sollte.
»Wir sehen uns dann am Montag«, erwiderte Claudie, um ihm aus der peinlichen Situation zu helfen.
»Ja«, seufzte er, als sie sich umdrehte, um an ihren Schreibtisch zurückzukehren.
»Alles in Ordnung, Claudie?«, fragte Kristen, als sie an ihr vorbeiging.
»Ich bin mir nicht ganz sicher«, antwortete Claudie.
Angela, die über die Hängeregistratur gebeugt stand, richtete sich auf. »Was ist passiert?«
»Er hat mir für den Rest der Woche freigegeben«, erklärte Claudie, die das Gefühl hatte, als schwebte ein gigantisches Fragezeichen über ihrem Kopf. »Und ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Mach dir ein paar schöne Tage!«, sagte Angela.
Kristen stand auf und nahm Claudie in die Arme. »Es wird dir gut tun.«
»Das hat er auch gesagt. Aber mir fehlt doch überhaupt nichts!«
»Natürlich nicht«, sagte Kristen lachend und klopfte ihrer Freundin auf die Schulter. »Jetzt gehst du schön nach Hause und genießt deinen Urlaub.«
»Ich will aber nicht nach Hause!«, rief Claudie. Sie benahm sich schon wie ein frustriertes Kind, und genau so fühlte sie sich auch: Niemand hörte ihr wirklich zu. Die hatten einfach alle keine Ahnung, was sie wollte und was sie brauchte.
»Ich wünschte, ich könnte an deiner Stelle nach Hause gehen«, bemerkte Angela und zeigte auf einen Berg Akten, die sich wie eine Schneewehe auf der Hängeregistratur stapelten.
»Tu dir keinen Zwang an«, seufzte Claudie, ging an ihren Schreibtisch und ließ sich schwer auf ihren Stuhl fallen. Sofort war Jalisa zur Stelle.
»Ach du je«, sagte sie leise. »Haben wir dich in Schwierigkeiten gebracht?«
»Ja«, flüsterte Claudie, während Lily, Mary, Bert und Mr Woo nacheinander auftauchten und sie schuldbewusst anblickten.
»Was hast du jetzt vor?«, fragte Bert.
»Ich habe spezielles Kräuterelixier für –«
»Sie braucht jetzt keine verdammten Kräuter!«, zischte Lily und schlug Mr Woo auf die Hand.
»Au!«, rief Mr Woo und zog den Kopf ein.
»Lily! Was fällt dir
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