Unter deinem Stern
Swimmingpool und Simon mit einer Eistüte von der Größe eines Bienenkorbs.
Damals waren sie glücklich gewesen. Das Leben war ein einziges Abenteuer, eine einzige Party gewesen. Was war schief gelaufen? Wo hatte der Spaß aufgehört? War die Liebe einfach versickert, als hätte jemand einen emotionalen Stopfen gezogen?
Er schaute aus dem Fenster seines Arbeitszimmers. Draußen ging ein älteres Ehepaar vorbei, wahrscheinlich auf dem Weg zur Kirche. Als er ihre ineinander gehakten Arme betrachtete, die so dünn und zerbrechlich wirkten wie Reisig, überkam ihn eine tiefe Traurigkeit. Würde er jemals wieder an einem Sonntagmorgen Arm in Arm mit einer Frau spazieren gehen?
Er drehte sich um und legte die Alben zurück in den Koffer. In sein Leben mit Felicity würde er nicht zurückkehren: Diesen Weg war er schon einmal gegangen, er war übersät mit Steinen und Schlaglöchern, und Simon wusste, dass er zumindest nie wieder Arm in Arm mit Felicity spazieren gehen würde.
34
Am Montagmorgen erhielt Kristen im Büro einen Anruf.
»Was zum Teufel ist bei dir los, Simon?«, fauchte sie ihn an. »Warum ist Felicity immer noch bei dir? Du hast doch hoffentlich nicht mit ihr gevögelt?«
Schweigen. Offenbar hatte er ein schlechtes Gewissen.
»Simon?«
»Natürlich hab ich nicht mit ihr gevögelt, verdammt!«, schrie er.
»Was ist mit Claudie? Was glaubst du, wie sie sich fühlt? Am Samstagabend war sie fix und fertig, du Mistkerl! Es war das erste Mal, dass sie sich seit Lukes Tod verabredet hat, und du hast es vermasselt!«
»Das hab ich doch nicht mit Absicht getan. Hör gefälligst auf, mich zu beschimpfen.«
»Wahrscheinlich hast du sie um Monate zurückgeworfen. Ich hab dir vertraut, Simon, und nur du kannst das wieder in Ordnung bringen. Also überleg dir was!«
»Ich überleg mir schon was! Überlass das einfach mir!«
»Was ist mit unserer Paris-Reise?«
»Keine Sorge, wir fahren nach Paris. Bis dahin hab ich das wieder in Ordnung gebracht.«
»Das möchte ich dir auch geraten haben. Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass du mit Felicity hinfährst.«
»Ich fahre mit dir, okay? Das ist alles geregelt. Und jetzt«, seufzte er, »hast du mich genug zur Schnecke gemacht. – Was ist mir dir und Jimmy?«
»Hä?«
»Habt ihr euch wieder vertragen?«
»Nein«, sagte Kristen.
»Sieht so aus, als müsstest du dir auch was überlegen.«
»Ich glaube nicht, dass es da noch was zu überlegen gibt«, entgegnete sie.
Sie verabschiedeten sich und legten auf. Simon schloss die Augen. Er dachte an Claudie, und es tat ihm schrecklich Leid, dass er ihr Kummer bereitet hatte. So etwas hätte er niemals absichtlich getan.
Plötzlich war er stinkwütend auf Felicity, weil sie einfach so bei ihm aufgekreuzt war und sein ganzes Leben durcheinander brachte. Er musste sich tatsächlich etwas einfallen lassen – und zwar auf der Stelle.
35
Claudie machte in ihrer Mittagspause einen gemütlichen Einkaufsbummel. Plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen. Sie war seit Monaten nicht mehr bummeln gegangen. Jedenfalls nicht, seit die Engel bei ihr aufgetaucht waren.
In den Wochen nach Lukes Tod war das häufig passiert. Sie war an den Schaufenstern vorbeigeschlendert, und jedes Mal, wenn sie etwas entdeckte, von dem sie wusste, dass es Luke gefallen würde – ein Paar Stiefel oder einen Rucksack –, hatte sie sich vorgenommen, ihm davon zu berichten. Ob man es nun Instinkt nannte oder Gewohnheit, jedenfalls war es schwer abzuschalten. Völlig unerwartet passierte es ihr wieder.
Claudie betrachtete die Schaufensterpuppe, die ein rotkariertes Hemd anhatte. Es war ein typisches Holzfällerhemd, wie es Männer mit aufgekrempelten Ärmeln trugen. Die Art Hemd, die Luke immer gern gemocht hatte.
Ihre Augen wurden feucht. Wer würde das Hemd kaufen? Wer würde Lukes Hemd tragen? Der Gedanke, dass ein Fremder die Frechheit besitzen könnte, in dem Hemd herumzulaufen, erschien ihr so unerträglich, dass sie einen Augenblick lang versucht war, in den Laden zu gehen und es selbst zu kaufen. Aber das ist doch albern, sagte sie sich. Hatte sie nicht sowieso den halben Kleiderschrank voll mit seinen Sachen?
Kurz nach der Beerdigung war Lukes Mutter gekommen und hatte die Habseligkeiten ihres Sohnes in Kisten und Kartons verstaut, aber bei den Hemden hatte Claudie ihr Einhalt geboten. Die hatte sie behalten. Ebenso wie seine grünen Gummistiefel.
»Was willst du damit anfangen?«, hatte Mrs Gale gefragt und die abgetragenen,
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