Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unter dem Banner von Dorsai

Unter dem Banner von Dorsai

Titel: Unter dem Banner von Dorsai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon R Dickson
Vom Netzwerk:
Bescheid.“ Die drei Worte waren mitleidslos. „Und sicher hat man sich dafür vor einiger Zeit bei Ihnen entschuldigt. Hören Sie, Berichterstatter.“ Seine dünnen Lippen verzogen sich ein wenig, um ein verärgertes und mißmutiges Lächeln anzudeuten. „Sie sind kein Geweihter des Herrn.“
    „Nein“, sagte ich.
    „Jene, die Gottes Wort folgen, haben vielleicht Anlaß genug anzunehmen, daß sie im Glauben an etwas Bedeutsameres als nur ihre eigenen selbstsüchtigen Interessen handeln. Aber was ist mit denen, die nicht erleuchtet sind – können sie andere Motive haben als pure Eigensucht?“ Das schiefe Lächeln auf seinen Lippen sprach seinen eigenen Worten Hohn, verspottete die scheinheiligen Phrasen, mit denen er mich einen Lügner genannt hatte – und sollte mich verleiten, die analytische Fähigkeit in ihm nicht zu beachten, die es ihm erlaubte, in mich hineinzublicken.
    Ich versteifte mich erneut, diesmal mit einem beleidigten Gesichtsausdruck.
    „Sie spotten nur deshalb über mein Bekenntnis als Berichterstatter, weil es nicht Ihr eigenes ist!“ antwortete ich ihm barsch.
    Meine erregten Worte konnten ihn weder beeindrucken noch das Lächeln auf seinen Lippen auflösen.
    „Der Herr würde keinen Narren zum Ältesten des Konzils unserer Kirchen erwählen“, sagte er – und wandte mir den Rücken zu und schritt erneut um den Schreibtisch herum, um dahinter Platz zu nehmen. „Das hätten Sie rechtzeitig bedenken sollen, bevor Sie nach Harmonie kamen, Berichterstatter. Aber jetzt wissen Sie jedenfalls darüber Bescheid.“
    Ich starrte ihn an, fast geblendet von dem plötzlichen Glanz meines eigenen Begreifens. Ja, jetzt wußte ich Bescheid – und mit diesem Wissen verstand ich plötzlich, daß er sich mir mit seinen eigenen Worten ausgeliefert hatte.
    Ich hatte gefürchtet, er könnte vielleicht keinen schwachen Punkt aufweisen, an dem ich einen Hebel ansetzen und ihn beeinflussen konnte, so wie ich geringere Männer und Frauen mit meinen Worten beeinflußt hatte. Und es stimmte: Er hatte keine gewöhnliche Schwäche. Aber genau aus diesem Grund besaß er eine außergewöhnliche. Denn seine Schwäche war seine Stärke, die gleiche Klugheit, die ihn zum Herrscher und Führer seiner Anhänger gemacht hatte. Seine Schwäche sah so aus: Um das zu werden, was er geworden war, mußte er so fanatisch sein wie die Schlimmsten unter den Quäkern – und noch etwas mehr als das. Er mußte die Extrakraft besitzen, die es ihm gestattete, seinen Fanatismus abzulegen, wenn er sich als störend erwies bei den Verhandlungen mit den Führern anderer Planeten – mit seinen gleichrangigen Kollegen und Widersachern zwischen den Sternen. Das war es. Das hatte er mir gerade eben unabsichtlich offenbart.
    Er war nicht auf die einseitige Betrachtungsweise des Universums beschränkt wie seine schwarzgekleideten Anhänger, deren Augen vor Fanatismus glühten und alles nur entweder ganz in Schwarz oder ganz in Weiß sahen. Er war in der Lage, dazwischen liegende Schattierungen wahrzunehmen und sich mit ihnen zu befassen – auch graue Schattierungen. Kurz gesagt: Er konnte ein Politiker sein, wenn er wollte – und als Politiker konnte ich mit ihm fertig werden.
    Als Politiker konnte ich ihn zu einem politischen Fehler verleiten.
    Ich sackte in mich zusammen. Ich streifte die Anspannung ganz plötzlich von mir ab, als ich dasaß und seinen Blick erneut auf mir spürte. Und ich gab einen tiefen, bebenden Seufzer von mir.
    „Sie haben recht“, sagte ich mit tonloser Stimme. Ich erhob mich. „Nun, es hat also keinen Zweck. Ich gehe besser …“
    „Gehen?“ Seine Stimme knallte wie der Schuß eines Gewehrs und hielt mich zurück. „Habe ich gesagt, das Interview sei beendet? Setzen Sie sich!“
    Hastig nahm ich wieder Platz. Ich versuchte, blaß auszusehen, und ich glaube, das gelang mir. Doch obwohl ich ihn plötzlich durchschaut hatte: Ich befand mich noch immer im Käfig des Löwen, und er war noch immer der Löwe.
    „Nun“, sagte er und starrte mich an, „was haben Sie wirklich gehofft, von mir zu erhalten – und von uns allen, den Auserwählten Gottes auf diesen beiden Welten?“
    Ich befeuchtete mir die Lippen.
    „Sprechen Sie“, sagte er. Er hob seine Stimme nicht, doch sein gesetzter, dunkler Tonfall drohte mir mit Vergeltung, wenn ich nicht gehorchte.
    „Der Rat …“ murmelte ich.
    „Rat? Der Rat von uns Ältesten? Was ist damit?“
    „Der nicht“, sagte ich und blickte auf den Boden. „Der Rat

Weitere Kostenlose Bücher