Unter dem Banner von Dorsai
des Teufels halten mußte: sein Leben in dieser Welt, wenn er seinen Glauben und seine Männer verraten und damit den Konflikt vermeiden würde, der zu seinem und ihrem Tod führen mußte.“
„Was waren das für verrückte Überlegungen?“ sagte ich. In der Kirche waren die Gebete verstummt, und eine einzelne, kräftige und tiefe Stimme hatte mit der Totenmesse begonnen.
„Sie waren nicht verrückt“, widersprach Padma. „In dem Augenblick, als er sich darüber klarwurde, lag die Antwort auf der Hand. Er brauchte nur das Gegenteil von dem zu tun, was ihm der Satan anbot. Er mußte die absolute Notwendigkeit des eigenen Todes akzeptieren.“
„Und das war eine Lösung?“ Ich versuchte zu lachen, doch meine Kehle brannte.
„Es war die einzige Lösung“, sagte Padma. „Als er das begriffen hatte, sah er sofort, daß es nur einen Ausweg gab: Es gab nur eine Situation, in der seine Männer kapitulieren würden – wenn er tot war und sie sich in einer unhaltbaren Kampfposition befanden, aus Gründen, die nur er kannte.“
Ich spürte, wie das Echo seiner Worte in mir gleich einer rhetorischen Lanze durch mein Innerstes schnitt.
„Aber er wollte nicht sterben!“ sagte ich.
„Er überließ die Entscheidung seinem Gott“, gab Padma zurück. „Er arrangierte es so, daß ihn nur ein Wunder retten konnte.“
„Was sagen Sie da?“ Ich starrte ihn an. „Er stellte einen Verhandlungstisch mit Parlamentärflagge auf. Er nahm vier Männer …“
„Da war keine Flagge. Und die Männer waren alt und wollten einen Märtyrertod sterben.“
„Er nahm vier!“ schrie ich. „Vier plus eins ergibt fünf. Und alle fünf gegen Kensie – einen Mann. Ich stand an diesem Tisch und habe es gesehen. Fünf gegen …“
„Tam.“
Dieses eine Wort ließ mich innehalten. Plötzlich begann ich mich zu fürchten. Ich wollte nicht hören, was er mir zu sagen gedachte. Ich fürchtete, daß ich wußte, was er mir sagen würde, daß ich es bereits seit einiger Zeit wußte. Und ich wollte es nicht hören … ich wollte es nicht von ihm hören. Der Regen strömte noch heftiger, prasselte auf uns nieder und trommelte unbarmherzig auf den Asphalt. Doch trotz des Rauschens und Strömens drang jedes Wort deutlich und erbarmungslos zu mir durch.
Padmas Stimme begann wie der Regen in meinen Ohren zu dröhnen, und ich fühlte mich plötzlich so kalt und haltlos und von aller Wirklichkeit getrennt, als hätte ich hohes Fieber. „Glauben Sie, daß sich Jamethon auch nur einen Augenblick lang selbst etwas vorgemacht hat, so wie Sie die ganze Zeit über? Er war das Produkt einer Splitterkultur, und in Kensie erkannte er ein anderes. Glauben Sie, daß er es auch nur einen Augenblick lang für möglich hielt, er und seine vier alten Fanatiker könnten – ohne die Unterstützung eines Wunders – einen bewaffneten, wachsamen und einsatzbereiten Soldaten der Dorsai wie Kensie Graeme umbringen, bevor sie von ihm niedergeschossen und selbst getötet wurden?“
Selbst … selbst … selbst …
Dieses Wort zog mich davon, weit weg von dem trüben Tag und dem Regen. Es hob mich aus der Nässe und trug mich fort zu den Winden jenseits der dunklen Wolken. Und es brachte mich schließlich in das hoch gelegene, kalte und steinige Land, das ich schon einmal kurz erblickt hatte – damals, als ich Kensie Graeme gefragt hatte, ob er es jemals zulassen würde, daß gefangene Quäker umgebracht wurden. Es war dieses Land, das ich immer gemieden hatte, doch jetzt betrat ich es endlich.
Und ich erinnerte mich.
Von Anfang an hatte ich tief in meinem Innern gewußt, daß der Fanatiker, der Dave und die anderen ermordet hatte, nicht für alle Quäker stand. Jamethon war kein eiskalter Killer. Ich hatte versucht, ihn dazu zu machen, um
Weitere Kostenlose Bücher