Unter dem Banner von Dorsai
erledigen hatte. Als sich die Tür des Kommandogebäudes öffnete, hob sich seine dunkle Gestalt für einen Augenblick vom hellen Hintergrund ab. Dann verschwand er und mit ihm das Licht, während sich die Tür hinter ihm schloß. Ich startete meinen Wagen, wendete und verließ die militärische Zone.
Als ich das Tor passierte, wurde gerade die Wache abgelöst. Die abgelösten Wachleute aber, ein dunkler Haufen, immer noch bewaffnet, absolvierten ein besonderes Ritual, das bei diesen Leuten wohl gang und gäbe war.
Sie stimmten ein Lied an, als ich an ihnen vorbeifuhr, ein Lied, das sich eher wie Sprechgesang anhörte. Ich achtete zwar nicht auf den Text, doch die ersten drei Worte drangen dennoch an mein Ohr. „Frag nicht, Soldat …“ lauteten sie, und später erfuhr ich, daß es sich um ihr Kampflied handelte, ein Lied, daß sie stets sangen, wenn es einen besonderen Anlaß dafür gab, wenn die Stunde es erforderte.
„Frag nicht, Soldat …“ klang es mir immer noch im Ohr, während ich davonfuhr, Daves immer noch nicht bestätigten Paß in der Tasche. Und wieder einmal stieg die Wut in mir hoch, und ich schwor mir, daß Dave keinen Paß brauchen würde. Ich würde nicht zulassen, daß er während der nächsten Tage zwischen den Linien von meiner Seite wich. In meiner Gegenwart aber würde er jenen Schutz und jene Sicherheit bekommen, die er brauchte.
9
Es war halb sieben Uhr morgens, als ich die Halle meines Hotels in Blauvain betrat. In meinen Nerven prickelte es, meine Augen und mein Mund waren trocken, weil ich seit vierundzwanzig Stunden kein Auge mehr zugetan hatte. Der Tag, dem ich entgegensah, sollte ein großer Tag werden, so daß ich kaum Aussicht hatte, während der nächsten vierundzwanzig Stunden ein Nickerchen machen zu können. Aber zwei bis drei schlaflose Tage und Nächte gehören zum Berufsrisiko eines Journalisten. Man muß stets auf dem Posten sein, Augen und Ohren offenhalten und einfach ausharren, bis das erwartete Ereignis eintrifft.
Ich war zwar gespannt wie ein Bogen, doch sollte die Nachricht eintreffen, würde ich schon Mittel und Wege finden, um mich durchzuschlagen. Dann war es endlich soweit, und die Nachricht, die ich in der Rezeption vorfand, vertrieb mir gründlich die Sehnsucht nach Schlaf und einigen Stunden der Entspannung.
Es war ein Brief von Eileen. Ich trat beiseite und riß den Umschlag auf. Sie schrieb:
Liebster Tam
Dein Brief, in dem du mir mitteilst, daß du Dave aus dem Kampfgebiet heraushalten und ihn als deinen Assistenten anstellen willst, ist soeben eingetroffen. Ich bin so froh, daß ich es dir gar nicht sagen kann. Ich habe noch nie gehört, daß einer wie du von der Erde – gar ein Kandidat für die Gilde – so etwas für uns getan hätte.
Wie kann ich dir nur danken? Und wie könntest du mir verzeihen, daß ich dir fünf Jahre lang nicht geschrieben und mich nicht um dich gekümmert habe? Das sieht einer Schwester nicht ähnlich. Aber all dies geschah nur, weil ich wußte, wie nutzlos und wie hilflos ich war. Seit unserer Kindheit hatte ich stets den Eindruck, daß du dich meinetwegen insgeheim geschämt und mich nie ganz ernst genommen hast.
Als du mir seinerzeit in der Bibliothek klargemacht hast, daß eine Heirat mit Jamethon Black ein Fehler sein würde, wußte ich bereits, daß du nichts weiter als die Wahrheit über mich gesagt hast – dennoch mußte ich dich dafür hassen. Damals kam es mir so vor, als wärst du wirklich stolz darauf, verhindert zu haben, daß ich mit Jamie auf und davon ging.
Nun aber, da du versuchst, Dave zu retten und zu schützen, weiß % ich erst, wie falsch ich dich eingeschätzt habe und wie leid es mir tut, daß ich so schlecht von dir gedacht habe. Du warst der einzige, der mir nach dem Tod unserer Eltern geblieben war, und ich habe dich
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