Unter dem Banner von Dorsai
– und mehr als das. Mehr … und mehr … und immer mehr.
Sie klangen in meinem Ohr, brabbelnd, schreiend, lachend, fluchend, befehlend, flehend – aber sie vereinigten sich nicht, wie es bei einer solchen Vielfalt zu erwarten gewesen wäre, zu einem einzigen, tonlosen, gewaltigen Donnergetöse wie das Toben eines Wasserfalls. Obwohl sie immer mehr anschwollen, blieben sie stets getrennt, so daß ich jede Stimme einzeln vernehmen konnte , jede von diesen Millionen, ja Milliarden männlichen und weiblichen Stimmen, die einzeln mein Ohr erreichten.
Und dieser Tumult hob mich hoch und trug mich davon wie eine Feder auf den Wogen eines Wirbelsturms, wirbelte mich hoch und begrub meine Sinne unter einem rasenden Katarakt der Bewußtlosigkeit.
3
Ich weiß noch, daß ich nicht wieder zu mir kommen wollte. Mir kam es vor, als wäre ich auf einer langen, fernen Reise, als wäre ich lange Zeit abwesend gewesen. Als ich aber dann widerstrebend die Augen aufschlug, lag ich auf dem Boden, und Lisa beugte sich über mich. Einige Touristen unserer Gruppe drehten sich immer wieder um, um zu erfahren, was mir zugestoßen sei.
Lisa hob meinen Kopf vom Fußboden.
„Sie haben etwas gehört !“ sagte sie drängend, mit leiser Stimme, wobei sie ihre Worte flüsterte. „Was haben Sie gehört?“
„Gehört?“ Ich schüttelte den Kopf etwas benommen, indem ich mich an mein Erlebnis erinnerte, wobei ich fast erwartete, daß diese Kakophonie von Stimmen wieder auf mich einstürmte. Doch es war still um mich, und ich hörte nur Lisas fragende Stimme. „Gehört?“ wiederholte ich. „Ja – ich habe sie gehört.“
„Sie? Wer ist ‚sie’?“
Ich schaute zu ihr hinauf, und urplötzlich waren meine Sinne klar, und ebenso plötzlich fiel mir auch meine Schwester Eileen wieder ein. Ich rappelte mich hoch und schaute in die Ferne, schaute zum Eingang, wo sie an der Seite dieses Fremden gestanden hatte – doch der Eingang und der darüber liegende Raum waren leer. Die beiden … sie waren fort.
Irgendwie gelang es mir, wieder hochzukommen. Erschüttert, zerschlagen, entwurzelt, haltlos geworden, mit angeschlagenem Selbstvertrauen infolge dieses gewaltigen Wasserfalls von Stimmen, in den ich gefallen und von dem ich mitgerissen worden war, raubte mir das geheimnisvolle Verschwinden meiner Schwester den letzten Rest von Verstand. Ich ließ Lisas Frage unbeantwortet und begann die Rampe zum Eingang hinunterzulaufen, wo ich Eileen zuletzt im Gespräch mit diesem Fremden gesehen hatte.
So schnell mich aber auch meine langen Beine trugen, Lisa war trotzdem schneller. Selbst in ihrem blauen Gewand war sie so behende wie ein Wiesel. Sie holte mich ein, sie überholte mich, drehte sich um und verstellte mir den Weg, als ich am Ausgang anlangte.
„Wo wollen Sie hin?“ rief sie. „Sie können nicht einfach verschwinden, jedenfalls nicht sofort! Wenn Sie etwas gehört haben, muß ich Sie zu Mark Torre bringen! Er muß mit jedem sprechen, der irgend etwas gehört hat!“
Ich aber wollte nicht auf sie hören.
„Gehen Sie mir aus dem Weg“, murmelte ich, während ich sie unsanft beiseite schob. Ich schoß durch die Tür und dann in den kreisförmigen Geräteraum, der hinter der Tür lag. Dort waren Techniker in ihrer bunten Arbeitskleidung am Werk, die irgendwelche Metalle und Gläser auf unbegreifliche Weise zu einem unbekannten Zweck bearbeiteten – doch keine Spur von Eileen oder von dem Mann in Schwarz.
Ich raste durch den Raum und in den nächsten Korridor, aber auch dieser war leer. Ich lief den Korridor entlang, bog gleich nach rechts ab und öffnete die nächstbeste Tür, die ich vor mir sah. Drinnen Saßen ein paar Leute lesend und schreibend an verschiedenen
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