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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
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Hinsitzen!«
    Meine Eltern setzten sich.
    John schenkte Likör in Gläser – »lauter verschiedene Farben wie flüssige Edelsteine«, sagt Mum –, und sie stießen auf ihre Gesundheit an.
    »Cent’anni!«
    »Zum Wohle!«
    Dann wurden meine Eltern aus dem scheinbar unterirdischen Wohnzimmer hinauf in ein luftiges Esszimmer mit hoher Decke geführt, aus dem man durch Glastüren auf eine Veranda trat, auf der Hunde sich im Schatten zusammengerollt hatten und Katzen sich unter eingetopften Orangenbäumen die Pfoten leckten. »Wie in Rom«, bemerkte Mum selig. Das Mittagessen wurde serviert, portugiesischer Wein floss aus Korbflaschen, und es wurde Nachschub an Likör herbeigeschafft. John hob das Glas und pries mit dröhnender Stimme die Schönheit und herzzerreißende Tragik des Lebens. Meine Mutter pflichtete ihm nicht minder stimmgewaltig und von ganzem Herzen bei. Der Alkoholpegel stieg, die Trinksprüche wurden lauter, und irgendwann redete auch Mum mit starkem, italienischem Akzent.
    »Beim Mittagessen erzählte er uns von den vielen Liebestragödien seines Lebens – mindestens zwei oder drei. So recht entsinne ich mich selbst nicht mehr, fürchte ich – die Liköre waren wirklich hochprozentig –, aber ich meine, dass seine erste Frau gestorben war. Oder davongelaufen? Irgend so etwas in der Art.« Offenbar hatte John daraufhin Elsa, die umwerfende und temperamentvolle Tochter seiner ersten unerfüllten Liebe, aus Italien kommen lassen. »Wenn ich mich recht erinnere, verliebten sich Elsa und John ineinander, vielleicht war Italien nach dem Krieg auch sehr trostlos. Ich weiß es wirklich nicht mehr genau.« Jedenfalls kam Elsa nach Afrika, und sie und John haben wohl kurz darauf geheiratet. Zwei Kinder kamen zur Welt: eine Tochter, Madeline (ein paar Jahre älter als Vanessa) und ein Sohn, Giovanni (mein Alter). »Sie hätten glücklich sein können bis ans Ende ihrer Tage, wenn Elsa sich nicht in den reizenden, gutaussehenden Tabakfarmer von nebenan verknallt hätte.« Was meine Mutter nicht sagt, aber wir alle wissen: Elsa und der schöne Tabakfarmer wurden eines Abends in einer seiner Tabakscheunen in flagranti erwischt. »Stellt euch das vor!«
    »Die verfluchte Schlampe und dieser Dreckskerl!«, bellte John und schüttete in Richtung des niederträchtigen Nachbarn und des verirrten Eheweibs die Faust. »Ich erschieße sie alle beide!«
    Ein Donnerschlag ließ das Haus erzittern, und ein nachmittägliches Gewitter rollte über das Tal. »Amore!«, rief Mum und hob ihr Glas gen Himmel.
    »Amore!«, erwiderte John.
    Es bedarf kaum der Erwähnung, dass meine Eltern, als sie schließlich in Johns Pick-up durch das Tal rumpelten und sich die Robandi Farm zeigen ließen, die Welt längst in den Farben des Regenbogens sahen. »Alles war frisch gewaschen vom Regen. An der Zufahrt blühten die Flammenbäume«, sagt Mum. »Aus dem Persischen Flieder tropfte der Nektar.« Und der Garten, oberflächlich nass, duftete nach Frangipani und roter Erde. »Wir sagten John, dass wir die Farm unbedingt wollten«, sagt Mum. »Er war bereit, sie uns zu geben, und das war’s. Ich glaube, wir haben an Ort und Stelle eine Art Vorvertrag unterschrieben.«
    »Moment«, sage ich, »ihr habt keinen Rundgang über das Land gemacht? Die Erde angefühlt? Die Scheunen inspiziert oder die Wasserleitungen überprüft?«
    Mum schaut mich an wie eine Spielverderberin. »Wir hielten das nicht für nötig. Man hatte einen herrlichen Ausblick auf das Tal und John Parodis Farm. Bis nach Mosambik konnten wir schauen, oder, Tim?«
    »Was?«, fragt Dad.
    » EINEN HERRLICHEN BLICK BIS NACH MOSAMBIK «, ruft Mum. » VOM HAUS AUS !«
    Also liehen meine Eltern sich Geld, kauften die Farm, und wir zogen von Karoi ins Burma Valley (zwei Kinder, drei Hunde, zwei Katzen, ein Pferd, etwas Porzellan, das irische Leinen, der Wellington-Bronzeguss, zwei Jagdstiche, eine gebrauchte Pedalnähmaschine und die Le-Creuset-Töpfe). Wenn man Robandi nicht durch die verklärenden Farbfilter der Liköre aus John Parodis Hausbar betrachtet, war es zu steinig für ideales Farmland, und es lag zu sehr im Regenschatten. Die Flammenbäume wimmelten von Termitennestern, und um sie herum wuchs nichts. Das Haus, das unter dem Baldachin aus feurig roten Blüten geheimnisvoll gewirkt hatte, erwies sich bei näherem Hinsehen als düsterer Bunker. »Aber es war unsere Farm in Afrika«, seufzt Mum. »Und wir waren glücklich, stolz und absolut sicher, dort den Rest unseres Lebens

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