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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
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fehlen, oder?«
    Ein oder zwei Tage später brachen meine Eltern vor Morgengrauen in Karoi auf und fuhren quer durch das Land. Unterwegs entstaubte Mum in Vorbereitung auf den Verwalter der Farm die wenigen italienischen Sätze, die sie im Lauf der Jahre aufgeschnappt hatte. »Ciao, come stai?«, lautete ihr erster Versuch, als sie den Angwa River überquerten. »Il mio nome è Nicola«, übte sie ein, als sie das Inyanga-Hochland streiften. Und als der Christmas-Pass im Rückspiegel immer kleiner wurde und das Auto in die von Palisander gesäumte Hauptstraße Umtalis hinabrollte, rief sie laut »Arrivederci«.
    »Lieber Gott, Tub, kaufen wir eine Farm oder willst du mit dem Kerl durchbrennen?«, fragte Dad.
    Mum warf ihm eines ihrer atemberaubenden Lächeln zu. »Na ja«, sagte sie, »das werden wir sehen.«
    Am südlichen Ende Umtalis legten Mum und Dad im Brown’s Hotel einen Stopp ein, tranken ein kühles Bier und aßen Eier mit Speck. Beim Hinausgehen erkundigten sie sich bei ein paar Hartgesottenen an der Bar nach dem Weg zum Burma Valley. »Oh nein! Nein, nein, nein, fahren Sie da bloß nicht hin«, sagte einer der Männer. »Da wohnen nur Swinger, Säufer und Bekloppte.«
    Woraufhin Dad eine Hand hob: »Dann bitte noch zwei zum Abschied, Barkeeper«, rief er dem Mann hinter der Theke zu.
    Die Fahrt aus der Stadt heraus führte durch den Zweiter-Klasse-Distrikt, in dem die Inder ihre Warenlager, Schneidereien und Läden hatten. Dann ging es weiter unter der Eisenbahnbrücke hindurch, vorbei an der Papierfabrik, von der ein stechender Geruch nach frisch geschälten Kiefernstämmen ausging, und schließlich um die Berge herum, die Umtali wie einen Ring umschließen (Kumakomoyo nennen die einheimischen Manyika die Gegend, »das Land der vielen Berge«). Die Asphaltstraße endete, und meine Eltern holperten auf einem Feldweg in das Stammesgebiet der Zamunya mit seinen knochigen Rindern, der gefurchten roten Erde und den von Ziegen zerrupften Bäumen. Sie fuhren durch ein riesiges Gatter, und plötzlich war die karge Welt Zamunyas verschwunden, ersetzt durch einen fetten, feuchten Kessel dichten Urwalds und ein weites Becken äußerst fruchtbaren Farmlands.
    »Wir waren auf den ersten Blick verliebt in das Tal«, sagt Mum. »Welch ein Dschungel, in den wir da eintauchten! Es blieb einem glatt die Luft weg. Gewaltige Bäume, und unter ihren grünen Baldachinen plapperten die herrlichsten Vögel.« Meine Eltern hielten am Rand der Steilstufe, um die Bremsen abkühlen zu lassen. Im Norden lagen die Vumba-Berge mit ihren Schultern aus Dunst, und im Süden sah man in der Ferne die Kette der Chimanimani Mountains. Ihr gegenüber lagen die heißen, mit Büffelbohnen bedeckten Himalaya Hills (der erste weiße Siedler im Burma Valley, ein Pakka-Pakka-Sahib aus Indien, hatte mal den richtigen Himalaya gesehen). »Es war alles so üppig, so malerisch«, sagt Mum. Sie warf die Hände über den Kopf und wollte nicht wieder aufhören, zum Chor der Frösche und dem Schrillen der Insekten Pirouetten zu drehen. »Es ist perfekt!«, schrie sie. »Yippy! Hurra!«
    Es war fast Mittag, als sie John Parodis Farm endlich gefunden hatten. »Ein kleines Stück Italien, bis ins letzte Detail«, sagt Mum. Eine mediterrane Zypressenallee führte von den Tabakscheunen herauf, Milchkühe weideten im knietiefen Gras zu beiden Seiten der Straße, schneeweiße Reiher leisteten einem hellbraunen Pferd Gesellschaft, das weißgetünchte Farmhaus trug ein rotes Ziegeldach, ionische Säulen stützten die Veranda.
    Ein Hausmädchen begrüßte meine Eltern im gepflasterten Innenhof und führte sie in ein großes Wohnzimmer, in dessen Mitte ein Brunnen sprudelte. Farne quollen von Bücherregalen, lehnten sich an Fensterscheiben und schufen ein grün gefiltertes Licht. Im ganzen Haus duftete es nach Olivenöl und frisch gebackenem Brot. »Che bello!«, rief Mum, und im selben Augenblick kam John Parodi zur Tür hereingeschlendert. »Oh, und wie gut er aussah«, sagt Mum. »Diese Schultern! Diese Leidenschaft!«
    Ich stelle mir John also an diesem heißen Oktobermittag vor, ein Bulle von einem Mann im Khaki-Buschjackett, die schwarzen Haare straff nach hinten gestriegelt, um die sonnengebräunte Stirn und die eindrucksvoll geschwungenen Augenbrauen zur Geltung zu bringen. Er umarmte meine Eltern, küsste Mum auf beide Wangen, klopfte Dad zwischen die Schulterblätter und rief auf Englisch mit italienischem Akzent. »Ihr müsst hinsitzen!

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