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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
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zu verbringen.«
    Die Fassade des Hauses strich Mum in einem apricotrosa Farbton. Sie stellte die Nähmaschine auf und nähte Vorhänge aus Matratzenzwillich. Um die Jagdstiche zu betonen, hängte sie kleine Tischdeckchen aus irischem Leinen und Porzellanteller an die Wände, und den Garten bepflanzte sie mit einer Vegetation, die keiner großen Pflege bedurfte. Schließlich ließ sie den Swimmingpool voll Wasser laufen, aber ohne elektrische Umwälzpumpe und teure Chemikalien färbte er sich binnen kurzer Zeit immer grüner, und schon bald wohnten dort Scharen von Fröschen, eine Entenfamilie, ein paar Gänse, gelegentlich sogar ein Nilwaran. »Na also«, sagte Mum, kniff die Augen zusammen und ließ den Gesamteindruck des Gartens, des aprikosenfarbenen Hauses und des grünenden Swimmingpools auf sich wirken. »Charmant und sehr beruhigend, etwa nicht?«
    Abends aßen wir Mums bunte Gemüse frisch aus dem Garten und ihre selbstgezüchteten, zähen, in Le-Creuset-Töpfen zu aromatischen Currys weichgekochten Hühner. »Ah, fantastico!« Mum trank einen Schluck von dem billigen portugiesischen Wein und stieß mit Dad an. »Auf uns«, sagte sie, »uns gibt’s nicht zweimal. Und wenn doch, sind sie längst gestorben.« Und für einen Augenblick im flackernden Kerzenlicht sah es tatsächlich so aus, als hätten Mum und Dad mit ihren zwei gedeihenden Töchtern, ihrer Hundemeute, dem schwierigen Pferd und dem verwilderten Swimmingpool dort für immer glücklich werden können: Dad mit der Farm, aus der er ein südafrikanisches Douthwaite machen wollte, Mum mit der Möglichkeit, noch irgendetwas einer Biografie Würdiges aus ihrem Leben zu machen.
    Aber dann passierte nur wenige Monate, nachdem wir nach Robandi gezogen waren, auf der anderen Seite des Erdballs etwas, das alles veränderte. Im April 1974 marschierten Revolutionäre, die zum Zeichen ihrer sozialistischen Ideologie rote Nelken trugen, durch die Straßen Lissabons. Als Folge des Aufstands wurden die portugiesischen Kolonien im subsaharischen Afrika sofort in die Unabhängigkeit entlassen, und eine Million portugiesischer Bürger flohen aus diesen Gebieten. Mosambiks neue marxistisch-leninistische FRELIMO -Regierung kündigte an, die ZANLA -Guerilleros zu unterstützen, die gegen die Minderheitenregierung in Rhodesien kämpften. Als Gegenmaßnahme gründete die rhodesische Regierung RENAMO , die als antikommunistische Rebellenarmee in Zentralmosambik agierte. Die Grenzen zwischen Rhodesien und Mosambik wurden geschlossen und zwischen den beiden Ländern ein Cordon sanitaire (übersetzt »Pufferzone«, in Wahrheit ein Minengürtel) eingerichtet, der wenige Meilen oberhalb unserer Farm verlief.
    Dad wurde zur Reserve der rhodesischen Armee eingezogen, Mum schloss sich freiwillig der Polizeireserve an. Man machte sie zu einer Notfallhelferin des Roten Kreuzes. Alle paar Wochen stieg Dad in seine Tarnkleidung und fuhr mit sechs anderen Farmern aus dem Burma Valley hinauf in die Himalaya Hills, um dort oben zu kämpfen, und Mum lernte, in seiner Abwesenheit die Farm zu führen. Meine Eltern schliefen mit einer Uzi und einem FN -Gewehr neben dem Bett, beim Essen lagen Browning-Hi-Power-Pistolen neben den Beilagentellern, und mir und Vanessa wurde beigebracht, wie man schießt, um zu töten. Sie stapelten Sandsäcke vor den Fenstern und zogen Stacheldraht um die Farm. Wir kauften einen alten Landrover, machten ihn minensicher und tauften ihn auf den Namen Lucy. Und Mum kramte ihren Schlachtruf wieder hervor, »Olé!«; wir riefen ihn an Mittwoch- und Samstagabenden auf der Fahrt in den Burma Valley Club, wo Mum auf der Theke tanzte (ein hübscher Anblick mit ihrem kastanienbraunen Haar und den blassgrünen Augen).
    Aber in diesen frühen Tagen glich der Krieg eher einem schlechten Wetterbericht als etwas dauerhaft Bedrohlichem. »Man musste sich am Riemen reißen und weitermachen, so gut es eben ging«, sagt Mum. Sie war voller Verachtung für die zehntausend Weißen, die das Land verließen. »Schlappschwänze nannten wir die.« Und genauso wenig hatte sie für die Leute übrig, für die an der Machtübernahme durch die Schwarzen kein Weg vorbeiführte. »Nur über meine Leiche«, sagte sie. »Das Leben muss wie gewohnt weitergehen.«
    Also verwandte sie viele Stunden darauf, mir und Vanessa eine gewählte Aussprache beizubringen. Wir sagten » there « und durften das Wortende nicht verschlucken. Wir sagten » women «, als bestünde das Wort nur aus I ’s mit

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