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Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition)

Titel: Unter dem Baum des Vergessens -: Ein Leben in Afrika (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fuller
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aufgeteilt worden. Es verwundert nicht, dass die den Europäern zugewiesenen Landstriche weitgehend identisch mit den regenreichsten, fruchtbarsten Gebieten waren; die den afrikanischen Stämmen zugewiesenen Flächen (Tribal Trust Land) lagen mehr oder weniger in der trockenen Peripherie und die vergleichsweise winzigen Native Purchase Areas gar in noch entlegeneren, unerträglich heißen, durch die Tsetsefliege bedrohten Gegenden. Die europäischen Siedler erweckten nicht den Anschein, als betrachten sie die ihnen gewährte Bevorzugung als unmoralisch oder unzumutbar. Zum einen herrschte das sehr starke Gefühl, dass Gott höchstpersönlich ihnen sein heiliges Plazet gegeben hatte (das Lied »Onward Christian Soldiers« erfreute sich riesiger Popularität und vermochte die zu seinem Vortrag benötigten Tasten der Orgeln protestantischer Kirchen überall im Land durchaus abzunutzen). Zum anderen hielten viele Weiße die Schwarzen für so infantil und unfähig, dass es ihnen gerechtfertigt erschien, das Land in Besitz zu nehmen. »Ich will niemandem zu nahe treten«, sagte der rhodesische Premierminister Ian Smith 1970, »aber vor sechzig Jahren waren die Afrikaner noch unzivilisierte Wilde, die nackt herumliefen.«
    Smith und seine Anhänger schienen entschlossen, den Afrikanern eine eigene Geschichte vor der Ankunft der Europäer abzusprechen. So weigerten sie sich zum Beispiel, die Ruinen von Groß-Simbabwe, wie die Rhodesier einen Komplex aus kegelförmigen Türmen und massiven Steinmauern im Südosten des Landes nennen, als Beweis für die Existenz eines mittelalterlichen Shona-Reichs gelten zu lassen. Die Anlage, die sich über ein hügeliges Areal von achtzehnhundert Morgen ausbreitet, ist der größte historische Baukomplex südlich der Sahara. Archäologische Ausgrabungen förderten Scherben von chinesischem und arabischem Steingut zutage, ein nicht zu widerlegender Beweis für eine hohe Zivilisation. Diese ungelegene Tatsache versuchte Smith’ Regierung zu umschiffen, indem sie enormen Druck auf die dort arbeitenden Archäologen ausübte: Sie sollten den Schwarzafrikanern die Fähigkeit absprechen, eine solche Anlage jemals errichtet zu haben. Mindestens ein prominenter Archäologe, Peter Garlake, war 1970 gezwungen worden, das Land zu verlassen, weil er sich diesem Druck nicht hatte beugen wollen.
    Den Regierenden in Rhodesien schien sogar die Ironie der Tatsache zu entgehen, dass gerade sie als eingeschworene Antikommunisten durch ihre Politik der Landzuteilung große Teile des Landes, namentlich die Stammesgebiete, in Gemeineigentum überführten. Millionen schwarzer Rhodesier wurden dadurch quasi automatisch dazu gezwungen, sich zu riesigen Kollektiven zusammenzuschließen, in denen eine militaristische und zunehmend paranoide Verwaltung sie besser unter Kontrolle hatte. Und trotzdem waren die ungefähr zweihundertfünfzigtausend weißen Rhodesier weder bereit noch geneigt, eine offizielle Regierungspolitik in Frage zu stellen, die sie gegenüber einer Mehrheit von sechs Millionen bevorzugt behandelte. Sie waren überzeugt davon, dass die Privilegien, die sie genossen, auch gerechtfertigt waren. Kritiker verhöhnten diese Weißen als Mitglieder des Champignon-Clubs: »Im Dunkeln gezogen, mit Pferdescheiße gedüngt.«
    Und dann, eines Sonntags: »Shangri-La!« Mum bremste die Abwärtsfahrt ihres Zeigefingers auf der Immobilienseite. Sie las laut vor: »Robandi Farm, siebenhundert Morgen im Burma Valley zu verkaufen.« Sie nannte den Preis – der akzeptabel klang –, und meine Eltern suchten das Gebiet gemeinsam auf der Landkarte. Darauf konnte man erkennen, dass Robandi ein paar Meilen (Luftlinie) von Umtali entfernt lag, einer kleinen Stadt an Rhodesiens östlicher Grenze zum portugiesisch regierten Mosambik. »Oh!«, rief Mum aus. »Portugiesischer Wein, Stinkekäse und Piripiri-Krabben! Wir müssen diese Farm haben.«
    Anrufe wurden durch mehrere Vermittlungen gestöpselt, bis endlich eine knisternde Verbindung zu einem Immobilienmakler in Umtali hergestellt war. Von ihm erfuhren meine Eltern, dass es sich bei dem Verwalter der Farm um einen Italiener namens John Parodi handelte – er lebte im Burma Valley und wäre bereit, meinen Eltern das Gebiet zu zeigen, falls sie interessiert seien. »Interessiert?!«, rief Mum. »Und ob wir interessiert sind!« Sie legte auf und drehte sich mit leuchtenden Augen zu Dad um. »Ein Italiener!«, rief sie. »Da dürfte es am nötigen Schuss Romantik nicht

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